Die schöne Rivalin
Fläche, auf der zwei Personen weich und warm schlafen konnten. Und Wälder und stille Winkel fanden sich auf dem Weg nach Cannes genug.
Es war genau 21.12 Uhr, als Ricardo Bombani in die Autobahn nach Hannover einbog. Um diese Zeit fragte in Hamburg Irene Bruckmann ihren Mann: »Wo ist Sonja eigentlich hin?«
»Wenn mich nicht alles täuscht«, antwortete Thomas Bruckmann und blätterte in einem Versteigerungskatalog mit bunten Abbildungen wunderbarer Ikonen, »dann schmiedet sie mit Mischa Heideck Zukunftspläne.«
Kurz vor Mitternacht wurde Irene Bruckmann unruhig. Sie schlief noch nicht, sondern lag im Bett und las. Sie wußte nicht, warum – aber irgendwie hatte sie ein seltsames Gefühl, das ihr Angst machte. Sonja kannte doch ihre ständigen Sorgen. Wenn sie aus irgendwelchen Gründen mal später nach Hause kam, hatte sie immer angerufen und Bescheid gesagt. Warum tat sie das heute nicht?
Bruckmann schlief fest und schnarchte leise. Irenes Lesen im Bett, das sie so liebte, machte ihm nichts aus. In zwanzig Jahren Ehe gewöhnt man sich an manches. Außerdem war Bruckmann ein Mensch, der ohnehin sofort einschlief, sobald er waagerecht lag – ob im Bett, in einem Liegestuhl, auf der Couch oder auf einer Decke irgendwo im Sand oder auf einer Wiese im Ferienort. »Ich brauche das«, pflegte er zu seiner Verteidigung zu sagen, »der Umgang mit Altertümern ist ermüdend.« Irene hatte darin oft einen versteckten Angriff auf sich gesehen und verbittert geschwiegen.
Als jetzt die Uhr Mitternacht schlug, rüttelte sie ihren Mann wach. Thomas Bruckmann schrak hoch. »Was ist los?« stotterte er.
»Sonja ist noch nicht zurück. Und es ist Mitternacht.«
Bruckmann legte sich wieder zurück. »Und deswegen weckst du mich?« Er gähnte laut. »Mitternacht ist für junge Leute die schönste Zeit, besonders wenn sie verliebt sind. Weißt du das nicht mehr?«
»Aber sonst hat Sonja sich wenigstens jedesmal gemeldet. Nein, nein, da stimmt etwas nicht, ich spüre es.«
»Schlimm, diese Mütter«, stöhnte Bruckmann, »überall sehen sie Gefahren und Gespenster.«
»Es ist unerhört von diesem Heideck. Ich hatte ja gleich Bedenken, als der hier auftauchte.«
»Ach was!« brummte Bruckmann. »Er ist ein anständiger Bursche, ich habe Vertrauen zu ihm. Und jetzt laß mich weiterschlafen!« Damit drehte er sich um und war bald wieder weit weg von dieser Welt.
Um ein Uhr morgens weckte Irene ihren Mann noch einmal. Sie saß im Bett, zitternd vor Aufregung. »Sie ist noch immer nicht zurück. Wer weiß, was da passiert ist – und du bist schuld daran. Allein du!«
Thomas Bruckmann wälzte sich mühsam aus dem Bett, tappte zum Telefon und rief bei Mischa Heideck an. Es dauerte eine ganze Weile, ehe Mischa sich meldete. Hinter Bruckmann stand Irene mit hochrotem Kopf.
Er machte es kurz. »Hören Sie mal, Mischa«, sagte er betont ernst, »ich habe Verständnis dafür, daß meine Tochter Ihnen gefällt. Aber ich finde es nicht angemessen, daß sie um ein Uhr nachts noch nicht zu Hause ist und wir als Eltern nicht einmal wissen, was los ist. Ich fordere Sie auf, Sonja jetzt sofort hierher zu bringen und mir eine Erklärung zu geben für Ihr Verhalten.«
»Gut!« flüsterte Irene hinter ihrem Mann, doch der winkte unwirsch ab. Im Hörer hörte man die Stimme Mischas. Er sprach sehr schnell und brach dann plötzlich ab.
Bruckmann legte langsam den Hörer zurück. Sein Gesicht war wie leergefegt, eine starre Maske; alle Regungen schienen ausgewaschen.
»Was sagt er?« fragte Irene.
»Sonja ist gar nicht bei ihm …«
»Nein!« schrie sie und schwankte.
»Er war heute überhaupt nicht mit ihr zusammen, hat sie nicht einmal gesehen … er mußte bis spät abends arbeiten.«
»Thomas …«, stammelte Irene, »was bedeutet das? Was ist mit Sonja passiert? … Wo ist sie …?«
Hilflos hob Bruckmann die Schultern. Sein Herz kam ihm auf einmal zentnerschwer vor. »Mischa kommt jetzt gleich zu uns«, sagte er heiser. »Ich … ich rufe die Polizei …«
Die Kriminalpolizei stand vor einem Rätsel.
Zwei Beamte durchsuchten Sonjas Zimmer, um vielleicht durch irgendwelche Notizen in Tagebüchern oder Briefen Anhaltspunkte zu bekommen. Aber man fand nichts außer einigen Eintragungen, die sich mit Mischa beschäftigten und mit ihrer Eifersucht auf Ellen Sandor.
Die Überprüfung von Mischa Heideck ergab, daß er ein Alibi hatte. Er konnte mindestens zwanzig Personen benennen, mit denen er bis 21 Uhr in der Fabrik zusammen
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