Die schöne Rivalin
sehen Sie doch ein, wie?«
Sonja nickte. Sie sah es ein. Niemand hörte sie, keiner sah sie. Bombani brauchte bloß den Kofferraumdeckel wieder zufallen zu lassen und weiterzufahren. Wer sollte ahnen, daß sie hier drin lag? Klüger war es, friedlich zu bleiben und vorerst alles zu tun, was er verlangte. Einmal würde ihre große Chance kommen.
»Ich muß also hier im Kofferraum bleiben?« fragte sie. »Gemütlich ist das nicht.«
Bombani zögerte. Treuherzige Blicke aus blauen Augen trafen ihn immer in der Seele. Andererseits bedeutete Nachgeben in diesem besonderen Fall größte Gefahr.
»Wenn Sie mir versprechen, ganz brav zu sein«, sagte er schließlich, »dann frühstücken wir erst einmal.«
Sonja setzte sich auf; Bombani half ihr, indem er sie im Rücken stützte. Dann ging er nach vorn und kam mit einem Spankorb zurück. Er klappte ihn auf, entnahm Brettchen und eine Thermosflasche, ein Brot, Butter und Wurst. Sonja hob die gefesselten Hände.
»So kann ich aber nicht essen und trinken …«
»Ich warne Sie, bella. Beim geringsten Fluchtversuch kenne ich keine Gnade!« Bombani band die Handfesseln los, zog eine Pistole aus seiner Tasche und legte sie neben sich auf die Stoßstange. Dann schnitt er das Brot an. Sonja schraubte unterdessen die Thermosflasche auf und goß sich einen Becher voll. Wie der Kaffee duftete, wie herrlich er schmeckte. Noch nie hatte Kaffee ein solch köstliches Aroma gehabt.
Sie frühstückten in aller Ruhe eine halbe Stunde lang, als sei es völlig selbstverständlich, daß eine junge Frau in einem Kofferraum hockte und davor ein Mann mit einer Pistole auf der Stoßstange saß. Dann packte Bombani alles wieder in den Korb, trug ihn zu den hinteren Sitzen und winkte lässig mit der rechten Hand.
»Jetzt wieder hinlegen und die Hände her!«
»Muß das sein?« Sonja sah Bombani aus strahlenden Augen an. Es war ein Blick, der einen Teufel zum Engel machen konnte. »Wenn ich hoch und heilig schwöre, nichts zu versuchen …«
»Erst nach der Grenze!« erwiderte er. »So lange müssen Sie warten. Es sind nur noch zehn Kilometer.«
Die Grenze! War das vielleicht die große Chance? Konnte sie sich dort bemerkbar machen?
Seufzend legte sie sich wieder hin. Bombani war diesmal vorsichtiger und band Hände und Füße so zusammen, daß Sonja gespannt wie ein Bogen im Kofferraum lag, eine unbequeme gekrümmte Haltung, auf längere Zeit sogar schmerzhaft im Rücken. Jedenfalls konnte sie sich so gut wie überhaupt nicht bewegen.
»Ist das notwendig?« fragte sie kläglich.
»Leider, Madonna. Es ist bloß ein kurzes Stück. Sobald wir in Belgien sind, binde ich Sie sofort los. Werden Sie schreien?«
»Nein!« beteuerte Sonja. Aber ihre blanken Augen verrieten das Gegenteil. Bombani hob bedauernd die Schultern. Aus einem sauberen Taschentuch machte er einen Knebel, um ihn Sonja in den Mund zu stecken. Doch das war gar nicht so einfach, denn als er mit der linken Hand ihre zusammengepreßten Zähne öffnen wollte, schnappte sie plötzlich zu und biß ihn in den Finger. »Maledetto!« schrie Bombani und schüttelte seine Hand, um den Schmerz zu überwinden. »Al diavolo! Warum tun Sie das? Machen Sie mich nicht wütend!« Brutal riß er ihr den Mund auf und schob den Knebel zwischen ihre Zähne. Während er ein Heftpflaster darüber klebte, fragte er: »Bekommen Sie Luft?«
Sonja schüttelte den Kopf. Aber Bombani war kein Anfänger. Er hielt ihr auch noch die Nase zu, und als Sonja rot wurde im Gesicht und sich aufbäumte, gab er sie wieder frei. »Sehen Sie, durch die Nase zu atmen ist gut«, sagte er grinsend. »Halten Sie Ricardo nicht für einen Idioten!«
Er tätschelte ihr die Wangen, lächelte sie mit all seinem verdammten Charme an und warf den Kofferraumdeckel zu.
Wieder umgab sie die fahle, dumpfe Dunkelheit, der Geruch von Öl und Benzin. Dann brummte der Motor auf, das Schunkeln und Schwanken begann, die Räder knirschten über sandigen Boden und sangen dann über Asphalt.
Sonja ergab sich in ihr Schicksal, jedenfalls vorläufig. Bis Cannes ist es noch weit, dachte sie. Bis dahin kann viel geschehen. Sie lauschte nach draußen, versuchte die Geräusche einzuordnen, die bis zu ihr drangen. Für Angst war keine Zeit.
Viel Lärm. Stimmen. Das verlangsamte Fahren ging in ruckartige Fortbewegung über. Ganz leise Musik. Rufe. Eine verschwommene Stimme …
Die Grenze!
Sonja wollte sich wenigstens teilweise befreien, wollte gegen das Blech treten, sich im Kofferraum
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