Die schöne Rivalin
Deutschland gewesen. Und jetzt, Sie sagten es schon, sind wir nicht mehr in der Heimat. Wir befinden uns in Belgien!« Sonja blickte in den Spätsommerhimmel. Große, dicke weiße Wolken zogen träge am Himmel dahin. Es war warm.
»Aha!« Bombani kannte die Kapriolen der weiblichen Logik; diese widersprüchlich-originellen Verflechtungen faszinierten ihn immer wieder. »Dann schwören Sie mir jetzt für Belgien und Frankreich, daß Sie so etwas nie wieder tun.«
»Zunächst für Belgien!« Sonja setzte sich ins Gras. »Über Frankreich sprechen wir in Frankreich.«
Sie gab Bombani die Hand. Er schüttelte seufzend den Kopf, stand dann auf und half Sonja, wieder hochzukommen. Im Grunde, überlegte er, ist es gut, daß sie den Ernst der Lage nicht erkennt und alles wie ein Spiel nimmt. Wüßte sie, was ihr bevorsteht und wie gemein und erbarmungslos die Verbrecher sein können, die sich für ihr Schicksal interessieren, dann hätte ich es bestimmt sehr viel schwerer mit ihr.
Aber wie lange würde diese Selbsttäuschung anhalten?
In Cannes hatte Roger Corbet seit einiger Zeit das unangenehme Gefühl, auf Schritt und Tritt beobachtet zu werden. Mißtrauisch stellte er zum Beispiel fest, daß neben dem Zugang zu seiner weißen Felsenvilla – dort, wo sich der Parkplatz befand und der Fahrstuhl auf das Plateau hinaufführte – eine Arbeiterkolonne mit zwei Zelten anrückte und völlig sinnlos die Straße aufriß. An dieser Stelle lag weder ein Kabel noch ein Kanal; trotzdem buddelten die Männer einfach Löcher und sangen dabei zweideutige Hafenlieder.
Auf dem zweiten Zugang zu Corbets Villa – einem nicht ungefährlichen Felsenweg – waren ebenfalls Arbeiter am Werk. Diese Gruppe kam angeblich von der Radiostation Cannes und errichtete einen Sendemast unterhalb des Wegs. »Für den Schiffsfunk«, erklärten sie, als Corbet sie befragte. Doch das glaubte er ihnen nicht.
Zu allem Überfluß tauchte auch noch Kommissar Bouchard auf. Es war früh am Morgen, Corbet hatte noch nicht gefrühstückt und deshalb eine entsprechend schlechte Laune.
»Ist es gesund für einen Polizeibeamten, so zeitig aufzustehen?« begrüßte er den Besucher böse.
»Ich liebe die Morgenstunden«, entgegnete der Kommissar verdächtig freundlich. »Da ist die Welt noch in Ordnung, und die Menschen sind freundlich und aufgeschlossen. Sehen Sie mal, was mir da durch die Luft zugeflogen ist, aus dem fernen Deutschland.« Bouchard warf den Abzug eines Funkbildes auf den Tisch. Corbet betrachtete es kurz und verzog die Lippen.
»Nettes Mädchen. Könnte mir gefallen. Bieten Sie mir den Käfer für die nächste Party an?«
Bouchard setzte sich unaufgefordert. Er konnte über den plumpen Scherz nicht lachen. »Diese junge Dame ist entführt worden. Aus Hamburg. Was sagen Sie dazu?«
»Wer es auch gewesen sein mag: Der Junge hat einen wirklich guten Geschmack.« Corbet grinste. Unter der Haut aber begann es vor Erregung zu jucken. Wo steckte eigentlich Bombani jetzt? Warum hatte er sich nicht mehr gemeldet? Das Mädchen mußte auf dem schnellsten Weg verschwinden, ehe die Polizei Bombanis Spur entdeckt hatte. »Ich war leider seit drei Jahren nicht mehr in Deutschland.«
»Die hier abgebildete Person kennen Sie also nicht?«
»Tut mir leid, Kommissar. Tut mir wirklich sehr leid. Man kann nicht alle hübschen Weibchen kennen, die in Europa herumlaufen.«
»Noch weiß ich nichts Genaueres.« Bouchard klopfte auf das Funkfoto. »Meine Anfrage ist unterwegs. Sollte es aber der Zufall wollen, daß dieses in Hamburg verschwundene Mädchen vor ein paar Wochen hier an der Riviera, vielleicht sogar in St. Tropez war, und bei einem Fotowettbewerb einen Preis erhielt für ein reizvolles Bildchen, auf dem eine Jacht und zwei Männer im Gespräch zu sehen sind – wenn das alles so schön zusammenkommt, dann, mein lieber Roger, stecken Sie Zahnbürste und Kamm ein. Das sind nämlich die einzigen Dinge, die Sie in die Zelle mitnehmen dürfen.«
»Kommissar Bouchard! Ihre beleidigenden Andeutungen können Sie sich sparen!« brauste Corbet wütend auf. »Ich weiß überhaupt nicht, was Sie wollen. Habe ich Sie eigentlich eingeladen, zu mir zu kommen? Oder ist es dienstlich? In diesem Fall müßte ich erst einmal meinen Anwalt dazubitten.«
Bouchard verstand. Das war ein indirekter Rausschmiß. Er erhob sich, verbeugte sich knapp, ließ das Foto absichtlich liegen und fuhr mit dem Lift hinunter zu seinem Wagen. Die Straßenarbeiter beachteten ihn
Weitere Kostenlose Bücher