Die schöne Rivalin
wühlten seine Hände in ihren Haaren, und er hatte das Gefühl, gesponnene Seide zu streicheln.
Sonja beendete seinen herrlichen Traum, indem sie sich von ihm löste, ihn wegstieß und nüchtern sagte: »Fast hätte ich ganz vergessen, daß Sie mein Feind sind.«
»Ihr Feind?« empörte sich Bombani. »Ich bin nicht Ihr Feind.«
»Dann ändern Sie die Richtung und fahren Sie nach Norden zurück.«
»Unmöglich, bella bionda!« Bombani raufte sich die Haare. »Das wäre keine Rettung für Sie, und für mich das Todesurteil.«
Sonja trat auf ihn zu, warf die Arme um seinen Nacken, küßte ihn wild. Ebenso plötzlich ließ sie ihn wieder los, trat zwei Schritte zurück, mit einem Lächeln in den Mundwinkeln und sagte: »Ich habe Hunger. Sie haben versprochen, daß ich Pommes frites bekomme.«
Sie ging zum Wagen, setzte sich hinein. Bombani seufzte wieder tief auf; es blieb ihm nichts weiter übrig, als die Fahrt fortzusetzen.
Der nächste Ort war La Chapelle, eine kleine Landstadt mit einem typischen Marktplatz und einigen Restaurants, wie man sie überall in Frankreich findet: ein oder zwei große Fenster, darüber eine Markise mit dem Namen, etwa ›Coque d'Or‹, unter der Markise ein paar kleine Tische mit Stühlen, ein Kellner mit einer langen weißen Schürze, hinter der Theke der Patron.
Bombani hielt mitten auf dem Marktplatz. Sonja sah sich neugierig um. Jetzt zur Mittagszeit war der Markt fast leer. Wenn tatsächlich jemand sie überwachte, mußte er ein Meister der Tarnung sein.
»Gehen wir in eines der Lokale, Ricardo?« fragte Sonja und sah Bombani so verführerisch an, daß er unmöglich widerstehen konnte. »Ich verhalte mich ganz brav.«
Er stieg aus, half Sonja, faßte sie unter und ging mit ihr über den sonnigen Marktplatz. Sie setzten sich an einen freien runden Tisch des Restaurants ›Chez Pierre‹. Der Kellner kam sofort, wedelte mit der Serviette über die Tischplatte und legte die Speisekarte vor. Bombani bestellte als Vorspeise sechs Austern für jeden, dann gefüllte Artischocken, umgeben von einer mit Cognac abgeschmeckten Sahnesoße und zum Nachtisch geeiste Früchte. Dazu tranken sie eine Flasche Rotwein, der dunkel wie ein Rubin schimmerte. Auch die ersehnten Pommes frites kamen, und Sonja aß mit riesigem Appetit.
Nach dem Essen strahlte Bombani sie an. In diesen Minuten wirkte er wirklich sympathisch. Vielleicht aber sah Sonja auch die Welt jetzt anders, weil sie so wohlig satt war. Bombani meinte: »Jetzt müßte man sich hinlegen und eine Stunde schlafen.«
»Aha!« frozzelte Sonja.
»Arm in Arm, auf einem großen Bett, bekleidet nur von der Sonne …« Er reckte sich genüßlich, als läge er schon auf seinem Traumbett. Sonja, wieder ganz nüchtern, winkte ab.
»Statt dessen werden wir über staubige Landstraßen fahren, und das ist allein Ihre Schuld. Was soll also das dumme Gerede? Sie haben mich entführt, gefesselt, schleppen mich mit Gewalt nach Cannes in ein ungewisses Schicksal und faseln von gemütlichen Stunden im Bett. Wenn Sie mich wirklich mögen und ein richtiger Mann sind, dann finden Sie auch einen Weg, um aus dem Schlamassel herauszukommen.«
Bombani erhob sich; er war ernst geworden. »Sprechen wir nicht mehr darüber. Es hat keinen Zweck. Ich bezahle jetzt, dann geht es weiter.« Er zog sein Geld aus der Tasche, wandte sich um und ging zu dem Patron. Das war die Gelegenheit, auf die Sonja gewartet hatte.
Sie faltete die Serviette auseinander, nahm ihren Filzschreiber und warf schnell ein paar Zeilen auf den weißen Stoff:
›Bitte, rufen Sie Hamburg 3162818 an und informieren Sie meinen Vater, daß ich entführt worden bin. Er soll mich in Cannes suchen. Ich heiße Sonja.‹
Hastig faltete sie die Serviette zusammen und legte sie auf ihren abgegessenen Teller. Zu dumm, dachte sie, daß ich beim Französisch-Unterricht immer so faul gewesen bin; sonst hätte ich jetzt die Nachricht statt in deutsch in französisch schreiben können.
Bombani kam zurück. Bevor er mit Sonja zum Auto ging, kaufte er noch eine Flasche Rotwein, Schinken, Salami, eine lange französische Weißbrotstange und einen Block Käse. Dann im Wagen sitzend, sah Sonja, daß der Kellner den Tisch vor dem Lokal, an dem sie gesessen hatten, bereits abgeräumt hatte. Vielleicht, dachte sie, haben die jetzt im Haus meine Nachricht gelesen und alarmieren die Polizei. Oder rufen sie gleich bei Vati in Hamburg an? Kann auch sein, daß sie im nächsten Augenblick aus dem Haus gestürmt
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