Die schöne Rivalin
überhaupt nicht. Dabei kannten sie ihn sehr genau. Sie waren nämlich Spezialisten vom III. Polizeibüro.
Oben betrachtete Roger Corbet das Bild Sonjas. Ein süßer Käfer, dachte er. Eigentlich schade um sie, aber sie ist nicht mehr zu retten – ihretwegen könnte das ganze Orientgeschäft platzen; es wäre das Aus für uns alle. Aber wo blieb Bombani?
Sonja und Bombani saßen im Wagen und verzehrten ihr zweites Frühstück. Danach stand Sonja auf und ging in den Wald. Bombani wollte ihr sofort folgen, doch sie blitzte ihn empört an:
»Wo ich hingehe, muß ich allein sein. Sie sollten sich schämen!«
Bombani kaute an der Unterlippe. Wenn sie nun wieder zu flüchten versucht, dachte er, was dann?
Sonja mußte unwillkürlich lächeln. Ihr war klar, woran Bombani dachte. »Ich halte meinen Schwur«, sagte sie, »keine Sorge!«
»Sobald ich was Verdächtiges höre, schieße ich ins Gebüsch«, brummte er. »Und nun gehen Sie schon!« Er lehnte sich gegen das Auto und starrte mißmutig nach oben in die Wolken.
Sonja lief ein paar Meter in den Wald hinein, wo dichte Büsche standen, und kämpfte sich durch die Zweige, bis sie Bombani nicht mehr sah und auch von ihm unmöglich gesehen werden konnte.
»Bella?« hörte sie seine Stimme.
»Ja?« rief sie zurück.
»Pfeifen Sie!« schrie er. »Oder singen Sie! Ich muß hören, ob Sie in der Nähe bleiben.«
Sonja begann zu pfeifen. Währenddessen riß sie ein Stück von ihrem Taschentuch ab, legte es auf ihren Schenkel und schrieb mit dem Filzschreiber, den sie in der Rocktasche hatte, ein paar Zeilen darauf:
›Verschleppt nach Cannes! Hilfe! Fahren in dunkelblauem großen Chevrolet. Entführer heißt Bombani. Ruft sofort Polizei! – Sonja Bruckmann, Hamburg.‹
Dieses Stoffstückchen spießte sie auf einen Zweig und hoffte, daß irgend jemand es bald finden würde. Ein Pilz- oder Beerensammler vielleicht, ein Holzfäller, Förster oder Waldhüter, ein Jäger oder Spaziergänger. Ein Stückchen weißer Stoff an einem Ast fiel jedem auf …
Die ganze Zeit über pfiff sie fröhlich, um Bombani in Sicherheit zu wiegen. Als sie aus den Büschen wieder auftauchte, zündete er sich erleichtert eine Zigarette an.
»Wissen Sie, worauf ich wahnsinnigen Appetit habe?« fragte sie. »Auf Pommes frites. Mit Mayonnaise.«
»Bekommen Sie!« nickte er gönnerhaft. »Aber erst wechseln wir bei Bouillon nach Frankreich über.«
Sie packten zusammen, stiegen in den Wagen und fuhren weiter. Nach einigen hundert Metern erreichten sie wieder die Straße. Bombani gab Gas, das schwere Auto rauschte über den Asphalt. Sonja stellte das Radio an. Radio Luxemburg. Heiße Musik. Eigentlich, dachte sie, ist es ein tolles Erlebnis, ein richtiger Roman. Wie aufgeregt werden sie wohl in Hamburg sein? Mutti hat Herzklopfen, Papa flucht und Mischa … ja, was mag Mischa machen? Was glauben sie wohl alle, was mit mir geschehen ist? Wenn ich ihnen doch eine Nachricht geben könnte …
»Warum haben Sie mich entführt?« fragte sie. »Wollen Sie Lösegeld von meinem Vater? Da ist bestimmt kein großes Geschäft zu machen, das sage ich Ihnen gleich.«
Bombani schwieg. Was sollte er auch erwidern? Er wußte ja selbst nicht, was Roger Corbet von dem Mädchen wollte. Wenn es nur noch um das Foto ging, hätte man sie nicht nach Frankreich zu bringen brauchen. Das Foto lag unter Garantie irgendwo in Hamburg; da hatte die Entführung keinen Sinn. Wollte Corbet vielleicht verhindern, daß Sonja der Polizei in die Hände fiel? Dies würde aber bedeuten, daß …
Er erschrak, als er mit seinen Überlegungen soweit gekommen war. Diese Schweine in Cannes! Die hatten die Absicht, das Mädchen zu ermorden oder für alle Zeiten in Afrika in einem Freudenhaus verschwinden zu lassen. Sie waren zu der schlichten, obgleich letzten Endes ebenfalls unsinnigen Überzeugung gelangt: Wenn wir schon das Foto nicht bekommen, das unseren Boß entlarvt, dann muß wenigstens das Mädchen, die Fotografin, der Polizei entzogen werden. Auf diese Weise glaubten sie, zumindest Zeit gewonnen zu haben.
Laut sagte er jetzt zu Sonja: »Es geht nicht um die Moneten Ihres Alten. Es handelt sich um eine Aktion, mit der Ihr Vater gar nichts und Sie nur, sagen wir, indirekt zu tun haben. Mehr kann ich Ihnen nicht verraten. Aber eines sollten Sie wissen, damit Sie keine Dummheiten machen: Ich handle im Auftrag einer großen und weitverzweigten Organisation, die ihre Finger überall drin hat und deren Spitzel sogar bei der
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