Die schöne Rivalin
bemerkbar machen. Es gelang ihr nicht. Krumm lag sie in ihrem Gefängnis und mußte tatenlos miterleben, wie Ricardo Bombani die Grenze passierte. Dank neuer Vereinbarungen der EG-Staaten und seit der Einführung der grünen ›E‹-Karte gab es an den meisten europäischen Grenzen schnelle und unkomplizierte Abfertigungen. Ungehindert durfte er weiterfahren. Das CD-Schild am Wagen gab ihm zusätzliche Freiheit.
Dabei hatte er ganz schön Lampenfieber gehabt, als er auf die Grenzbeamten zufuhr. Noch jetzt, nachdem er längst auf belgischer Seite war, schwitzte er vor innerer Erregung. Schnell fuhr er weiter, bog dann wieder ab und suchte einen stillen Nebenweg. Er landete in einem Kiefernwäldchen, wo es herrlich nach Harz und betauter Erde roch. Zwischen Farnen und wilden Brombeerbüschen hielt Bombani an, kam um den Wagen herum und riß den Kofferraum auf. Sonja lag unbeweglich auf dem Boden, die Augen geschlossen, kaum noch atmend.
»Madonna!« schrie er auf, entfernte sofort den Knebel, löste die Fesseln, legte sein Ohr auf Sonjas Brust und hatte in diesem Augenblick gar keinen Sinn dafür, wie schön ihr Körper war.
Sie verhielt sich starr und steif, spielte die Ohnmächtige vorzüglich. Bombani ließ sich jedenfalls täuschen und war der Verzweiflung nahe. Unter Aufbietung all seiner Kraft hob er sie aus dem Kofferraum und legte sie ein paar Meter seitwärts auf das weiche Farnbett. Dann kniete er sich neben sie hin und wollte ihr das Kleid aufknöpfen, um eine Herzmassage zu versuchen.
Höchste Zeit, endlich zu erwachen. Sonja schlug die großen blauen Augen auf, sah wie erstaunt um sich und seufzte tief.
»Wo bin ich?« fragte sie schwach.
»In Belgien.« Bombani schien ein Zentnergewicht von der Seele zu fallen. »Bella, was für Sorgen machen Sie mir! Geht es Ihnen besser?«
»Mir ist ganz schwindelig … mein Gott, ich wäre beinahe erstickt …«
Bombani hatte den Schreck schon wieder überwunden. »So schnell erstickt man nicht«, meinte er und lachte fröhlich, als er daran dachte, daß die erste Grenze geschafft war. Nach Frankreich hinein würde es ebenfalls keine Probleme geben, und dann lag der ganze herrliche Weg bis zum Mittelmeer vor ihm, die Rhône hinunter, über die Route Napoleon, durch die Seealpen. Über Grenoble sollte die Fahrt gehen, durch die Nelkenfelder in der Umgebung von Grasse, wo die Luft schwer war vom Duft aus den Parfümeriefabriken; ein süßer Hauch von Lavendel und Nelken … Bombani nahm sich vor, so langsam wie möglich zu fahren und oft Pausen zu machen; er wollte die Zeit nutzen.
Sonja setzte sich mühsam auf, strich sich die langen blonden Haare aus dem Gesicht und sagte: »Ich bin durstig. Und ich glaube, ich habe sogar Hunger.«
»Sofort, bella!« Er lief zum Wagen und holte seinen Korb. Etwa zehn Meter war er jetzt entfernt, schätzte Sonja – genügte das?
Sie sprang auf. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, dachte sie, nahm allen Mut und alle Kraft zusammen und rannte los. Wie ein gehetztes Wild jagte sie durch den lichten Wald. Wohin, das war ihr gleichgültig; nur weg, weg! Irgendwo würde sie auf eine Straße kommen, auf Menschen treffen, vielleicht Häuser sehen. Nur laufen, laufen, der Freiheit entgegen.
Bombani stieß einen Fluch aus, als er Sonja davonsprinten sah. Er warf seinen Korb hin, spannte die Muskeln und schnellte vor. Gleich einem Windhund flog er durch den Wald und hatte Sonja kurz darauf unmittelbar vor sich.
»Bleiben Sie stehen!« rief er. »Es hat keinen Zweck! Sie entkommen mir ja doch nicht!«
Sonja blickte sich im Laufen kurz um. Der Verfolger war schon zu nahe heran, der erste Fluchtversuch gescheitert. Sie sah es ein und hielt an. Bombani konnte nicht so schnell abbremsen, in vollem Schwung prallte er gegen sie, und beide fielen sie auf den Waldboden, kugelten übereinander. Und als sie dann wie umschlungen dalagen, tat Bombani, was er schon immer hatte tun wollen: Er küßte Sonja auf den japsenden, nach Luft ringenden Mund. Sie wehrte sich nicht, ihr Herz schlug wie wild, plötzlich hatte sie gar keine Kraft mehr und war eigentlich froh, nicht noch viele hundert Meter weiterrennen zu müssen.
»Das war dumm, Madonna, das war sehr dumm«, keuchte Bombani. »Wo wollten Sie denn hin? Glauben Sie wirklich, Sie wären weit gekommen? Wir sind hier nicht in Deutschland. Und was soll ich nun mit Ihnen machen? Haben Sie vergessen, daß sie hoch und heilig geschworen hatten, keinen Fluchtversuch zu unternehmen?«
»Das ist in
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