Die schöne Schwindlerin
sich hastig, lief weiter und bemerkte, dass der Bursche sich umgedreht hatte und sie neugierig anstarrte.
Braithwaite nahm das Päckchen bedrückt entgegen und nicht wie üblich voller Freude. Er bedachte sie mit einem kummervollen Blick. »Sie sind hinter ihm her, wissen Sie.«
Sie nickte kurz und zog die Kapuze noch tiefer ins Gesicht. Gerald seufzte und zog den gewohnten dicken Umschlag aus der Schreibtischschublade. Er reichte ihn ihr, ließ aber nicht gleich los.
»Haben sie ihn erledigt? Oder kommen wieder welche?«
Clara schüttelte schnell den Kopf und zog an dem Umschlag. Braithwaite ließ los und stützte betrübt den Kopf in die Hände.
Clara zögerte. Sie hatte Braithwaite recht gern, seit er als Erster den Wert ihrer Zeichnungen entdeckt hatte. Er war ein schrulliger unflätiger streitbarer alter Bursche, aber er mochte ihre Arbeit und unterstützte ihre Sache.
Sie schlug schnell die Kapuze zurück, beugte sich vor und drückte ihm einen geschwinden Kuss auf die Wange. »Ich verrate Ihnen ein Geheimnis, Mr Braithwaite«, flüsterte sie, »Sir Thorogood ist nicht halb der
Mann
, für den Sie ihn halten!« Als Braithwaite sie schockiert ansah und ihm die Erkenntnis dämmerte, zwinkerte sie ihm schnell noch einmal zu, bevor sie wieder das Gesicht verbarg und sich aus dem Büro duckte.
Während sie zur Vordertür des Hauses und der wartenden Kutsche hastete, hörte sie Gerald Braithwaites dröhnendes Lachen ein letztes Mal durch die Gänge schallen.
Es war eine lange Fahrt gewesen, hinten an die Mietkutsche geklammert. Aber als der kleine zerlumpte Mann von seinem Platz auf der Querstange aus sehen konnte, wie die Lady aus der Kutsche stieg, grinste er nur noch vor sich hin.
»Der Gentleman hat gesagt, ›Folge dem Mädchen, Feebles‹, aber ich denk, er wollt eher sagen ›Folge der Lady‹.«
Sicher, die Sache ging ihn nichts an. Seine Aufgabe war es, Informationen zu besorgen, und er war ziemlich sicher, dass diese Information hier für den betreffenden Gentleman von Nutzen war.
Er beobachtete, wie die Lady die Kutschstation am Stadtrand von London betrat. Der Kutscher folgte ihr und überließ es dem Stallknecht, den Pferden Wasser zu geben. Gut, sie blieb also über Nacht.
Feebles nutzte die Gelegenheit, um sich kurz auszuruhen. Er streckte vorsichtig erst ein Bein zu Boden, dann das andere. Dann humpelte er um die Kutsche herum, um beim Stallknecht ein paar Brocken Kautabak zu schnorren. Die Kerle rauchten nicht, weil die Feuergefahr zu groß war. Der Stallknecht warf Feebles wortlos einen Priem zu. Dann setzten die beiden Männer sich hin und warteten gemeinsam.
Der Kutscher kehrte zurück, stopfte ein Bündel Geldscheine in die Tasche und wollte gerade auf seine Kutsche steigen, als Feebles ihn beiläufig ansprach. »Geht’s in die Stadt zurück? Was dagegen, wenn ich mitkomme?«
Der Mann hielt mit der Hand am Sitz inne. »Hast du Geld in der Tasche?«
Feebles zuckte leichthin die Achseln. »Nur Fusseln. Aber ich kann Ihnen gute Unterhaltung versprechen, wenn Sie mich vorn sitzen lassen. Ich kenn da ein paar Geschichten, wie Sie sie noch nie gehört haben.«
Der Kutscher beäugte ihn argwöhnisch, aber daran war Feebles gewohnt. Genau genommen, kultivierte er es sogar. Genau wie er mit voller Absicht auch provozieren konnte, rausgeworfen zu werden.
Der Kutscher zuckte die Schultern und ließ Feebles, der wie die Harmlosigkeit in Person aussah, mitfahren. Dann zog er sich zu seinem Sitz und den Zügeln hinauf.
»Also, rauf mit dir. Aber wenn du mich langweilst, gehst du ab der nächsten Kreuzung zu Fuß.«
Feebles grinste und spuckte einen Schwall Kautabak zur Seite aus. Es funktionierte immer. Er hatte schon seit Jahren keine Fahrt mehr bezahlt.
Er kletterte neben den Kutscher. »Hast du schon die von dem Abstinenzler und dem Tavernenmädchen gehört?«
Das geheime Büro über dem Liar’s Club war dunkel, aber der Eindringling kannte es gut. Es dauerte nur einen Augenblick, dann hatte er die Akte mit den neuesten Erkenntnissen über Sir Thorogood gefunden. Ein schnelles Kratzen, und das spezielle Zündholz, von dem außer den Liars keiner wissen durfte, war entflammt.
Bis das hölzerne Stäbchen heruntergebrannt war, wusste der Eindringling genauso viel über Thorogood wie der Clubchef selbst. Ein tiefes Lachen ließ die Flamme auflodern und schließlich verlöschen.
»Hast auch lange genug gebraucht, Etheridge.«
Es folgte ein Scharren, dann ein Klicken.
Dann lag das Büro
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