Die schöne Schwindlerin
des Spionagechefs wieder genauso verlassen da, wie es auch zu sein hatte, wenn der Boss auf einem schnellen Pferd die Stadt verlassen hatte.
Clara stand am Fenster eines kleinen Zimmers in der Kutschherberge und hatte nicht die leiseste Ahnung, was sie tun sollte. Sie konnte an nichts anderes denken als daran, wie schnell ihr Leben in Trümmer gebrochen war. Es war gerade einmal vier Tage her, dass sie Sir Thorogood auf dem Ball der Rochesters zum ersten Mal gesehen hatte! Wie hatte sie es nur geschafft, in so kurzer Zeit alles zu verderben?
Clara lief zwischen Wand und Fenster hin und her. Sie hatte es nie mit Auf-und-ab-Laufen versucht, aber inzwischen war sie zu allem bereit, um eine Eingebung zu bekommen. Sie hatte an der Kutschstation vor den Toren Londons halten lassen, weil sie schlicht nicht wusste, wohin sie gehen sollte.
Sie hatte versucht, eine Liste aufzustellen, aber es gab nichts darauf zu schreiben. Sie war schon seit Stunden in diesem Zimmer. Es war längst Nacht, aber sie hatte keine Ahnung, wie spät genau es war. In der Stadt hatte sie niemals eine Uhr gebraucht, weil bei Tag die Glocken die Stunde schlugen und bei Nacht der Nachtwächter die Uhrzeit ausrief.
Hier rief keiner die Stunden aus. Es schien überhaupt niemand hier zu sein. Sie hatte das Fenster aufgemacht, als sie am Nachmittag das stickige Zimmer betreten hatte. Zu dieser Zeit waren noch Alltagsgeräusche zu hören gewesen, Kutschen, Pferde und das Personal der Kutschstation.
Jetzt schien es, als hätte die ganze Welt sich schlafen gelegt, nur sie nicht. Unglücklicherweise war sie viel zu rastlos, um zu Bett zu gehen.
Wenn sie sich weit aus dem tiefen Fenster lehnte, konnte sie gerade so die Straße erkennen, die weiß im Mondlicht schimmerte und sich zu beiden Seiten in die rätselhafte dunkle Hügellandschaft streckte. London und alles, was ihr vertraut war, lag in der einen Richtung. In der anderen Richtung lag all das, was einer Frau aus der Stadt fremd war.
Jede Richtung hatte ihren Reiz. Sollte sie vorwärts schreiten und von ihrem Ersparten leben, vielleicht irgendwo nach einer Anstellung suchen, auch wenn sie keine Referenzen und keine Erfahrung vorzuweisen hatte?
Oder sollte sie dahin zurückkehren, wo sie jede Straße, jeden Stein, ja selbst die Luft kannte? Wo sie in ständiger Angst vor Entdeckung leben müsste, möglicherweise sogar einen Überfall fürchten musste?
Sie entfernte sich für eine Weile vom Fenster und seinen verlockenden Möglichkeiten und ging zu ihrer Tasche. Sie nahm eine Mappe mit Zeichenpapier heraus und eine kleine Dose Kohle. Nebeneinander auf dem winzigen Schreibtisch aufgereiht gaben die Kerzen genug Licht, und bald hatte Clara aus purer Freude am Zeichnen alle Sorgen vergessen.
Sie zeichnete Kitty, den Kopf über die Tasten des Pianos geneigt, die Unterlippe fest zwischen die Zähne geklemmt. Sie zeichnete Beatrice, die eine Braue hochzog und mit einer Mischung aus Missfallen und Amüsement dreinsah.
Und sie zeichnete ihn, wer immer er war. Sie zeichnete ihn als Monty und als prahlerischen Sir Thorogood. Aber zumeist zeichnete sie ihn als den atemberaubenden Mann hinter der Maske, der sie mit einem so ernüchternd falschen Verlangen geküsst hatte.
Wenn sie sich einer Sache schämte, die sie getan hatte, dann der, die Lüge nicht durchschaut zu haben.
Sie hatte gar nichts durchschauen wollen.
Die Zeichnung verschwamm vor ihren Augen, sie drückte die Handgelenke an die Augen. Sie würde nicht weinen. Ihre Trauer nahm den Kampf auf, aber schließlich fühlte sie sich fähig, sein Abbild wieder anzusehen.
Als sie die Augen aufschlug, lag da ein leeres Blatt Papier, und die Skizze war wie von Zauberhand verschwunden. Hatte die Brise vom offenen Fenster das oberste Blatt fortgeweht? Sie sah sich nach beiden Seiten um, aber es lag nichts auf dem Boden.
»Hm, ich kann nicht leugnen, dass ich mich geschmeichelt fühle.«
Clara erstarrte, als hinter ihr eine tiefe kultivierte Stimme erklang. Die Furcht stieg in ihr auf und ein unmissverständlicher Anflug von Abenteuerlust. Sie stand auf, rückte den Stuhl nach hinten und drehte sich um.
Der Mann, der nicht Monty war, stand vor ihr. Fort waren die derben Kleider, der lachende Dieb und der pompöse Wichtigtuer. Dieser Mann hier war jemand völlig Neues.
Kapitel 17
Er war großartig. Er war all das, was er für sie nie gewesen war. Glanzvoll, aber von geschmackvoller Eleganz. Gut aussehend, aber mit melancholischem Blick.
War er immer
Weitere Kostenlose Bücher