Die schöne Schwindlerin
Vaters reingewaschen wird.«
Einen Moment lang konnte sie ihn nur anstarren. Dann ließ sie ein bitteres ungläubiges Lachen hören. »Warum? Was könnte das jetzt noch nutzen? Als Tochter eines Betrügers zu gelten, ist meine kleinste Sorge. Vergessen Sie bitte nicht, dass ich eine beinahe mittellose Witwe von nicht gerade bemerkenswertem Äußeren bin, deren Leben von einem Mann bedroht wird, der
gerade eben, mitten in der Nacht, in ihr Zimmer eingestiegen ist!«
Sie lachte wieder, und es hörte sich wie brechendes Glas an. »Glauben Sie wirklich, dass es für mich derzeit von Priorität ist, den guten Ruf meines längst verstorbenen Vaters wiederherzustellen?«
Er ließ sie nicht los. »Ich bedrohe Ihr Leben nicht.«
»Warum sind Sie dann hier? Warum lassen Sie mich nicht am Morgen nach unten rufen, wie jeder andere es getan hätte?«
»Ich…« Er ließ die Hände von ihren Schultern gleiten, überließ sie der Kälte. Er wandte sich mit gesenktem Kopf ab, die Hände in die Hüften gestützt und schwer atmend. »Das hätte ich tun sollen. Oder Sie auf der Stelle festnehmen.«
»Mich festnehmen? Ich dachte, Sie wollten mich umbringen.«
Er schoss wieder zu ihr herum. »Natürlich nicht! Wofür halten Sie mich?«
Sie schüttelte langsam den Kopf, ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
»Ich bin… nun, ich kann Ihnen nicht sagen, was ich bin. Aber ich habe den Auftrag, Sir Thorogood aufzuspüren und ihn – ich meine,
Sie
zu Lord Liverpool zu bringen.«
»Zum Premierminister?« Clara suchte aufgebracht ihr Gedächtnis ab. »Ich habe Lord Liverpool nie gezeichnet, da bin ich sicher.«
»Nein, aber Sie müssen jemand sehr Mächtiges gegen sich aufgebracht haben, sonst hätte man mich nicht losgeschickt, nach Ihnen zu suchen. Ich bin jedenfalls
kein
Laufbursche.«
Er sagte Letzteres, als wäre das der Streitpunkt, aber sie hatte keine Lust, ihn zu beruhigen. Da hatte sie selbst schon größere Sorgen.
Liverpool suchte nach ihr?
Sie wusste ein wenig über den Mann Bescheid, aber auch nur das, was alle wussten. Er war nach dem Anschlag auf Spencer Perceval zum Premierminister ernannt worden und galt in seinen Ansichten gemeinhin als konservativ, insbesondere, was die Frage der Klassenunterschiede und den Schutz des gottgegebenen Privilegs der Aristokratie betraf, alles, was sich ihr in den Weg stellte, zu zermalmen.
Kurz gesagt, er stand für alles, wogegen sie kämpfte. Und er führte die britische Regierung an.
»Ach, du liebe Zeit.« Sie tastete blind nach dem klapperigen Stuhl und setzte sich. Dieses Mal hatte sie es sich wirklich gegeben.
Dalton Montmorency stand vor ihr. »Sie brauchen vor Liverpool keine Angst zu haben. Er ist ein sehr ehrenhafter Mann. Kalt, aber ehrenhaft.«
Sie schüttelte den Kopf. »Und Sie denken, er will – was? Ein Eis mit mir essen gehen und mich dann weiterschicken? Sie haben offenkundig keine Schwierigkeiten gescheut, um mich ausfindig zu machen. Bei dieser Form von Menschenjagd sollte mich alles andere als ein Aufenthalt im Tower überraschen.«
»Es verstößt nicht gegen das Gesetz, die Hochwohlgeborenen nicht zu mögen.«
»Oh, nun hören Sie sich doch selber zu! Die Hochwohlgeborenen! Was jeden anderen zu einem niederen Wesen macht, wie reich oder manierlich er auch ist.«
»Ich wollte damit nicht sagen -« Sein Gesicht lag im tiefen Schatten, aber sie spürte förmlich, wie finster er sie ansah. »Ich muss mich Ihnen nicht erklären. Ich bin hier, um Sie in die Stadt zurückzueskortieren und Sie dem Premierminister zu übergeben. Ich garantiere für Ihre Sicherheit, Sie haben also keinen Grund -«
Die Attacke erfolgte blitzschnell. Ein dunkle Gestalt kam durch das offene Fenster gesprungen und warf sich auf sie. Sie hatte gerade noch Zeit, nach Luft zu schnappen. Doch Dalton reagierte. Sie sah, wie er sich auf den Angreifer warf, worauf die beiden gegen den kleinen Schreibtisch schleuderten. Das klapperige Ding brach mitsamt der Kerzen auf dem Boden zusammen.
Der Raum wurde schwarz bis auf den Flecken Mondlicht, in dem Clara saß. Der Kampf war kurz und brutal, aus dem Geräusch der Fäuste zu schließen und dem finalen Knirschen, das sich für Clara anhörte, als schlüge etwas Hartes auf einen menschlichen Schädel.
Ob-lieber-Gott-lass-es-ihm-gut-gehen.
Die Inbrunst ihres Stoßgebetes konnte sie nicht mehr schockieren. Allen Lügen zum Trotz war da etwas zwischen ihnen, etwas, das wahrhaftig war. »D-Dalton?« Ihr
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