Die schöne Spionin
bequeme Sofa. »Hat er gesagt, wo er hingeht?«
»Er hat gesagt, er arbeitet heute unsere Straße ab. Ich hab gesagt, geht in Ordnung, solange er die Finger aus den Taschen unserer Gentlemen lässt. Ich hab all das hübsche Geld lieber hier im Club.«
Jackham hörte sich ein wenig missbilligend an, als ob Taschendiebe nicht derselben sozialen Schicht angehörten wie ehemalige Oberklassen-Einbrecher.
Simon stimmte dem oberflächlich betrachtet zu. Feebles war eine mächtig armselige Gestalt, knochig und schief.
»Dann gehe ich ihn besser suchen. Dauert nicht allzu lang.«
Simon zwang sich, zur Vordertür zu schlendern, obwohl er Feebles am liebsten nachgerannt wäre. Er klopfte einem schrecklich geschmeichelten Stubbs auf die Schulter und fragte: »Hast du letzte Stunde oder so Feebles gesehen?«
»Oh ja, Sir. Er hat erst an der Ecke da drüben gearbeitet, dann hat er gesagt, dass er es einen Block weiter versucht.« Stubbs wies nach rechts.
Simon dankte ihm, schlenderte die Straße entlang, nickte dem einen oder anderen Fußgänger zu oder tippte sich an den Hut.
Bald stieß er auf Feebles, der lässig am Laternenpfahl an der Ecke lehnte und die Passanten mit Blicken taxierte.
»Guter Tag?«
Feebles zuckte ein wenig betreten die Achseln. »Ich halt bloß meine Finger geschmeidig, Mister Rain. Behalten tu ich nichts.«
»Was hast du für mich?«
»War heut Morgen im Chelsea Hospital. Mr Cunnington hab ich nirgends gesehen, aber Ren Porter liegt auf der Station im dritten Stock und sieht nicht gut aus.«
»Porter? Verdammt.« Simon hatte nicht einmal gewusst, dass Porter in Schwierigkeiten war. Sein letzter Bericht war pünktlich eingetroffen, und der Nächste war erst morgen fällig. »Was ist passiert? Was hat er gesagt?«
»Die Sache ist die, Sir, er hat gar nichts gesagt. Kopfverletzung und zwar ne schwere. Er ist noch nicht aufgewacht und sie sagen, sie glauben auch nicht, dass er’s noch tut.«
Simon plagten schwere Gewissensbisse. Den nächsten guten Mann ins Verderben geschickt.
»Wissen sie, wer er ist?«
»Nein, Sir. Ich hab kein Wort gesagt. Sie nennen ihn da John Day. Ehrlich gesagt, ich hätt ihn fast nicht erkannt. Wenn er nicht diese Locken hätt, würd selbst seine Mutter ihn nicht erkennen.«
»Gut, ich sorge dafür, dass er abgeholt wird und finde heraus, was sie wissen.«
Es gab in der Stadt diverse Räumlichkeiten, die seine Männer gelegentlich nutzten. Dort konnte man sich um Ren kümmern. Er würde die beste Pflege bekommen, die für Geld zu haben war, vielleicht geschah ja ein Wunder, und Simon hatte nicht noch einen Mann auf dem Gewissen.
Simon nickte Feebles zu und wandte sich zum Gehen, doch der kleine Dieb rief ihn zurück. »Es gibt da noch was, Sir. Die Frau, nach der Sie sich erkundigt haben, die mit Cunningtons Bankkonto…«
Simon drehte sich schnell wieder um. »Was wissen Sie?«
Simons Heftigkeit ließ Feebles zwinkern. »Nicht viel, Mr Rain. Ich hab nur gehört, wie sie heute Morgen im ersten Stock jemandem vorgestellt worden ist. Sie war schon früher oft da. Hab sie selber gesehen. Ich wusst nur bis heute nicht, wie sie heißt.«
»Mrs Applequist? Im Hospital?« Was machte sie da?… Natürlich. Sie suchte, genau wie er, nach James.
Wieder einmal zeigte sich, wie klug sie war.
»Danke, Feebles. Viel Glück bei der Arbeit.«
»Ja, Sir. Falls ich noch was rausfinde, melde ich mich wieder.«
»Ja, tu das.« Simon winkte ihm geistesabwesend und machte sich auf den Weg.
Aber nicht zurück in den Club. Zum Hospital, wo er sich einem lebenden Toten stellen und wortlos um Vergebung bitten musste. Die Vorstellung, dort auf Agatha zu treffen, machte es gleichermaßen leichter wie schwerer.
Simon blieb stehen, schüttelte den Kopf und ging weiter. Er wollte diesem Gedanken jetzt nicht auf den Grund gehen.
Im Hospital angekommen, marschierte er zuversichtlich drauflos, als sei er in offiziellen Angelegenheiten hier. Keiner würdigte ihn nur eines Blickes, während er auf die Station ging, die Feebles ihm genannt hatte und schließlich vor John Days Bett stand.
»Oh, Ren. Du siehst gar nicht gut aus«, flüsterte er.
Das tat der junge Mann wirklich nicht. Er lag in tiefer Reglosigkeit da, man hätte ihn für tot halten können, hätte sich nicht ganz schwach die Brust gehoben.
Es war ein Wunder, das Feebles ihn erkannt hatte. Das Gesicht ein Matsch aus Schwellungen und Blutergüssen, die charakteristischen Locken fast völlig von einem riesigen Gazeverband
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