Die schöne Teufelin
eingestehen würde. Hatte sie attraktive Beine? Vielleicht. Woher sollte sie das schließlich wissen?
Ethan atmete tief ein. Beruhig dich, Alter. Wenn ihm die Zicke die Polizei auf den Hals hetzen wollte, hätte sie das schon längst getan. Ein Schrei und das ganze Haus wäre ihr zu Hilfe gestürzt und hätte ihn von ihr gerissen.
Stattdessen hatte sie ihn ausgetrickst, hatte ihn belogen …
Na, so ganz stimmte das nicht. Sie hatte überhaupt nichts gesagt, aber Ethan war nicht in mildtätiger Stimmung. Lügen durch fehlenden Widerspruch blieben nichtsdestotrotz Lügen. Er musste es ja wissen, schließlich stammte die Methode von ihm.
Verdammt, er hatte nicht mehr gewollt, als einen Augenblick nicht er selbst sein zu müssen …
Vielleicht hatte auch Lady Jane Pennington nichts anderes im Sinn gehabt.
Ethan war nicht bereit, ihr zu vergeben, aber sein Ärger verrauchte ein wenig. Er drehte sich wieder zu ihr um. »Ich denke, Sie sollten nach Hause fahren. Ich sage einem der Diener Bescheid, dass er Ihre Kutsche vorfahren lässt …«
»Ich wohne hier«, unterbrach sie ihn. »Ich bin Lord Maywells Nichte.«
Ethan schloss ergeben die Augen. »Ja, wie konnte ich das vergessen.« Das würde seine verdammte, bescheuerte »Mission« noch schwieriger machen. Fast hätte er laut aufgelacht. »Sie sind eine Dame, eine Erbin, die Tochter eines Marquis, die Nichte von Lord Maywell – und ich habe Ihren Schlüpfer gesehen.«
Lady Jane Pennington verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich kann leider nicht nachvollziehen, was daran so lustig ist, Mr Damont.«
Ethan lachte laut. »Nein, natürlich nicht.« Er verbeugte sich tief vor ihr. »Husch, husch, zurück ins Haus, Lady Jane. Oder ich erzähle jedem Gentleman da drin, welche Farbe Ihre Strumpfbänder haben.«
»Oh!«
Sie besaß tatsächlich die Frechheit, beleidigt zu tun. Diese Lügnerin! Sie richtete sich zu voller Größe auf – und
das war ziemlich groß; sie reichte ihm fast bis zum Kinn. Ethan hatte eine Schwäche für große Frauen. Dann stolzierte sie davon und warf die Terrassentür laut knallend hinter sich zu.
Ethan ließ den Kopf hängen und rieb sich mit einer Hand das Gesicht. Seine Finger hinterließen eine feuchte Spur auf seiner Wange.
Ihre einzelne Träne. Lady Jane Pennington, die – soweit er das beurteilen konnte – überhaupt keinen Grund zum Weinen besaß, hatte eine einzelne, heiße Träne in seine Hand vergossen.
Ethan betastete seine feuchte Wange mit vorsichtigen Fingern und fragte sich, was er wohl gesagt hatte, das eine Frau wie sie zum Weinen brachte.
Ethan erwartete, dass das Abendessen eine Tortur werden würde. Normalerweise war es das. Und jetzt, da ihn zu allem Überfluss »diese Geschichte mit Lady Jane Pennington« den adeligen Rachehauch im Nacken spüren ließ, sah es ganz danach aus, als würde es ein höllischer Alptraum.
Üblicherweise vertrieb sich Ethan bei langweiligen Einladungen die Zeit mit Flirten. Aber am Tisch der Maywells kam das nicht in Frage. Da der Maywell-Mob so gut wie alle anwesenden Damen stellte, gab es kein sicheres Opfer für seinen Charme.
Mit einer jungen Dame der Gesellschaft zu flirten würde ihn als gefährlich brandmarken – und somit sein parasitäres Dasein mit einem Federstreich beenden. Bisher wurde er toleriert, ja sogar ermutigt, weil er diese Grenze nie überschritten hatte. Oh, er hatte einige spielerische Begegnungen mit verheirateten Frauen gehabt, auch mit ein paar unvergesslichen
Witwen, aber er wusste, was er war – und er wusste auch, was er nicht war.
Deshalb behandelte er die Töchter der guten Gesellschaft mit kühler Höflichkeit. Er gab Acht, sich nicht einmal von den attraktivsten von ihnen angezogen zu fühlen. Sie waren nicht für Männer wie ihn bestimmt. Nein, sie sollten noch nicht einmal die gleiche Luft wie er atmen.
Als er in den großen Salon in Maywell House geführt wurde, bemerkte Ethan, dass seine Befürchtungen noch übertroffen wurden. Außer den fünf Töchtern von Lord Maywell und ihrer Kusine, Lady Jane Pennington, war keine Dame anwesend.
Von der Terrasse war er ins Raucherzimmer zurückgekehrt und hatte den Gesprächen, die sich um ihn herum entspannen, mit wachsender Aufmerksamkeit zugehört. Er gewann den Eindruck, dass Lady Jane Pennington ihre Fühler nach einem Duke oder gar höher ausstreckte, denn sie hatte alle, die einen niedrigeren Rang einnahmen, abblitzen lassen.
Die jungen Schnösel hatten ihr den Spitznamen »Lady Pain«
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