Die schöne Teufelin
Mylord, dass ich mich einen feuchten Kehricht um den Krieg oder Napoleon oder Amerika schere. Ich habe keine Meinung darüber, und eigentlich interessiert mich auch Ihre Meinung darüber kein bisschen.« Er lehnte sich zurück und beäugte seinen Gastgeber.
Maywell musterte ihn. »Es ist Ihnen egal? Sie besitzen keinerlei Patriotismus? Keinerlei Drang, good old England zu beschützen und den status quo zu erhalten?«
Ethan spreizte die Hände. »Was habe ich schon vom status quo ?«
Die Tatsache, dass es wahr war, änderte nichts daran, wie hohl das alles in Ethans Ohren klang. Wenn das hier keine Pose, wenn es nicht gespielt war … dann musste er wahrhaftig der wertloseste, parasitärste Scheißkerl sein, der auf dieser Erde herumlief. Er fing an zu glauben, dass Etheridge ihn vielleicht doch richtig eingeschätzt hatte.
»Hm. Interessant.« Maywell stieß eine weitere Rauchwolke aus, die sein Gesicht verschleierte, sodass nur noch seine glänzenden Augen zu sehen waren. »Lassen Sie uns dann das Thema wechseln, ja? Sagen Sie, besuchen Sie hin und wieder eines der Bordelle in der Nähe von Westminster?«
Ethan wusste, dass es einige Etablissements in der Nähe
des Palastes gab, in denen mehr verkauft wurde als Krawatten und chinesischer Tee. Er schüttelte den Kopf. »Ich ziehe Mrs Blythes Etablissement vor.«
Maywell grunzte. »Das ist keins von meinen.«
»Von Ihren, Mylord? Meinen Sie damit die von Ihnen bevorzugten?«
Maywell schürzte die Lippen. »Ich meine, dass es mir nicht gehört.«
Oho! Ethan spitzte die Ohren, aber er gab sich große Mühe, es sich nicht anmerken zu lassen. »Ich hatte keine Ahnung, dass Sie in diesem Bereich tätig sind, Mylord.« Du liebe Güte! Der Mann hatte fünf Töchter! »Finden Sie, dass es sich lohnt?«
Wieder grunzte Maywell. »Finanziell haben sie sich noch nicht wirklich bezahlt gemacht, aber sonst …« Er breitete die Arme aus, und sein zufriedener Gesichtsausdruck deutete darauf hin, dass es neben dem finanziellen auch einen anderen Nutzen gab.
Bloß welchen? Sicherlich hielt der Mann es nicht für spirituell lohnend. Ethan entschied sich anzubeißen. »Welchen Nutzen gibt es denn sonst noch?«
»Informationen.« Maywell deutete mit seiner Zigarrenspitze auf Ethan. »Die einzige wirkliche Macht auf dieser Welt besteht in der Kontrolle von Informationen. Wer am meisten weiß, hat gewonnen.«
Ethan konnte sich ein ungläubiges Schnauben nicht verkneifen. »Das ist also ein wissenschaftliches Unterfangen? Lesen bei Ihnen etwa Ihre Vögelchen den Freiern etwas vor?«
Maywell grinste hämisch. »Sie wären überrascht, wofür einige dieser Herren bezahlen.«
Ethan erinnerte sich an seine eigene Historie sexueller
Erkundungen. »Das bezweifle ich ernstlich.« Er lächelte. »Wenn also die Informationen nicht durch die Damen verbreitet werden, dann werden sie also eingesammelt. Korrekt?«
Maywell nickte geschmeichelt. »Und wer, meinen Sie, ist für das ganze Bettgeflüster zuständig?«
Westminster … das Zentrum der britischen Regierung. Die beiden Häuser des Parlamentes, die Wache, das Außenministerium, das Ministerium für nationale Sicherheit …
»Ich muss schon sagen«, keuchte Ethan. »Das ist brillant.« Das war es, auf geradezu teuflische Art. Diese ganzen überarbeiteten Beamten – eine schlaue, mitfühlende Frau konnte aus diesen Männern eine ganze Menge herauskriegen.
Vorsichtig! Du kannst nicht wissen, dass Maywell ein Verräter ist!
Ethan untersuchte seine Fingernägel. »Sie sind also ein Erpresser?«
Das überraschte sogar Maywell. Seine Lordschaft erstarrte und wurde vor gekränktem Stolz ganz rot. »Ich bin kein Erpresser!«
»Warum sonst? Wofür brauchen Sie diese ganzen Informationen?«
Maywell war einen Augenblick lang still. Dann beugte er sich vor und legte seine gefalteten Hände genau mitten auf seine Schreibtischunterlage. »Damont, Sie haben viele gute Eigenschaften. Sie haben Erfahrung mit einigen Aspekten des Lebens, von denen ich nichts verstehe. Sie sind schlau und klarsichtig und lassen sich nicht von irgendeiner Gefühlsduselei leiten.«
»Danke«, sagte Ethan gedehnt. »Glaube ich zumindest.«
»Ich könnte einen Mann wie Sie gebrauchen, Damont.«
Oh, nein. Jetzt kam es, trotz seiner Bemühungen. Es schien fast, als hätte sein Bekenntnis zur Apathie Maywells Einschätzung von ihm bestätigt – in genau die andere Richtung, die Ethan beabsichtigt hatte.
»Ich weiß leider überhaupt nicht, worauf Sie
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