Die schöne Teufelin
sprechen. »Ich will nicht, dass er sich anhört wie ein Straßenjunge«, hatte sein Vater mehr als einmal gesagt. »Er soll sich anhören wie ein Lord.«
Er war von Gelehrten, von Tanzlehrern und Fechtmeistern
eingesperrt worden, war mit den Manieren gefüttert worden, die sein Vater für ihn auswählte. Die Kost eines Gentlemans – ein wahrhaft erlesenes Menü.
Und doch war selbst der einfachste Tutor ihm an Stand überlegen, und alle hatten sie dafür gesorgt, dass er es nie vergaß. Für das Geld, das sein Vater ihnen zahlte, brachten sie ihm bei, was er wissen musste – aber in einer Sache waren sie alle besonders strikt: Ganz egal, wie hart er arbeitete, egal, wie lange er lernte oder übte oder wie gut er abschnitt, er würde niemals einer von ihnen sein.
Maywell hatte weitergesprochen. Ethan riss sich zusammen und konzentrierte sich wieder auf den Mann, der sein Leben in der Hand hielt.
»Klingt das etwa vernünftig, Damont? Hohlköpfige Lords, die Englands größtes Vermögen, sein fruchtbares Land, ruinieren. Hofschranzen, die einem noch hohlköpfigeren Prinzen mit Frauen und Gefälligkeiten schmeicheln, während vernünftige Männer zusehen müssen, wie dieses Land im Kampf gegen Bonaparte immer tiefer in Schulden versinkt.«
Sein erstes Ziel war zu überleben. Sein zweites, so viel wie möglich für die Liars herauszufinden. Ethan breitete die Hände in einer resignierten Geste aus. »Was sonst sollen wir denn tun? Es war schon immer so. Und es wird immer so sein.«
Maywell kniff die Augen zusammen und beugte sich noch einmal vor. »Es muss aber nicht so bleiben, Damont. Glauben Sie wirklich, dass Napoleon das gegenwärtige Machtgefüge aufrechterhält, wenn er gewinnt? Er ist ein Selfmademan. Er ist der Ansicht, dass der Wert eines Mannes sich aus seinen Taten ermisst, nicht aus seinem Titel oder seinem Namen.
Glauben Sie wirklich, er würde diese verweichlichten, hirnlosen Nichtstuer auch nur einen einzigen Tag lang als seinen Adel tolerieren?«
Ethan lehnte sich zurück und faltete die Hände faul über dem Bauch. »Ein verlockender Gedanke, ganz gewiss. Aber gibt es nicht auch in Paris noch haufenweise Lords und Ladys? Die müsste er zunächst einmal loswerden.«
Maywell machte eine wegwerfende Handbewegung. »Pah! Die sind nichts als Schmuck. Er hat ihnen Rang und Namen gelassen, um Josephine einen Gefallen zu tun. Die Männer, die zählen, die mit wirklicher Macht, sind mit Bonaparte von ganz unten gekommen. Sie haben auf dem Schlachtfeld und in den Hallen der Macht bewiesen, wozu sie fähig sind.« Maywell lehnte sich zurück, ahmte Ethans unbeteiligte Pose nach. »Männer wie wir, Damont. Männer mit Verstand, die die Welt sehen, wie sie ist – die erkennen, wie lächerlich die soziale Ordnung ist und wie sie uns am Wachsen hindert.«
Fast gegen seinen Willen spürte Ethan, wie er Feuer fing. Er neigte den Kopf. »Und doch sind Sie genau einer von denen, die bei einer solchen Revolution verlieren würden, Mylord. Es fällt mir schwer zu glauben, dass Sie das alles hier aufgeben wollen.« Er deutete vage um sich.
Maywell brach in Lachen aus. »Das alles hier? Dieses verfallende Haus und die erdrückenden Schulden und diesen Kampf, fünf Töchter unter die Haube zu bringen, bevor irgendjemand bemerkt, dass sogar die Kleider, die sie tragen, auf Pump gekauft sind?«
Ah, endlich rückte er mit der Wahrheit heraus, die Ethan voll und ganz verstand. Maywells Situation – geradezu erdrückende Verantwortung für Familie und Rang – war genau das, wovor Ethan immer zurückgeschreckt war. Auf diese
Weise zu enden, belastet, nicht Herr seiner selbst – allein der Gedanke ließ ihn sich vor Abscheu schütteln.
»Und Sie glauben wirklich, dass sich das ändert, wenn Napoleon siegt?«
Maywell lächelte. »Es wird sich ändern. Ich weiß aus verlässlicher Quelle, dass meine Bemühungen gut belohnt werden. Ich werde alles bekommen, was ich mir verdient habe, und sogar noch mehr.« Er musterte Ethan genau. »Und Ihnen könnte es genauso ergehen.«
Ethan lächelte unbeschwert. »Ich habe bereits alles, was ich verdiene.«
Maywell schürzte die Lippen. »Ach ja?« Er tippte mit den Fingerspitzen aneinander. »Ich würde gerne ein kleines Experiment mit Ihnen wagen. Ich möchte, dass Sie morgen früh an die Pforte von Carlton House gehen und um eine Privataudienz beim Prinzregenten ersuchen.«
Bei dieser absurden Vorstellung brach Ethan in überraschtes Gelächter aus. »Warum gehen? Wieso
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