Die schöne Teufelin
die Schwester damit gedroht hatte, sie von dem Wärter baden zu lassen.
Jane verlor angesichts eines solchen Schicksals der Mut, und sie verfluchte sich für ihre eigene mädchenhafte Schwäche. Sie wünschte, sie wäre stärker oder schneller oder überzeugender. Aber es waren auch viele bullige Männer in Bedlam eingekerkert – wer wollte behaupten, dass sie sich nicht dasselbe wünschten?
Schließlich beschloss Jane, dass sie stattdessen einfach nur stark und standhaft sein wollte. Sie war nicht wie Augusta, die in ihrem Leben nicht einmal gefroren hatte. Sie hatte die Winter in Northumbrien mit wenig Essen und ganz ohne Kohlen überlebt. Es war ihr gelungen, dass ihre Mutter sich trotz ihrer Armut ihre Würde und einigen Komfort bewahren konnte.
Sie würde Bedlam überleben.
Eine Weile wenigstens.
Als die Kutsche zurück nach Mayfair rumpelte, presste Ethan beide Hände an seine Schläfen und versuchte so, die Erinnerung an diesen Chor des Wahnsinns zu verdrängen. Er musste nachdenken!
Er musste Jane aus diesem Ort befreien. Der Gedanke, dass sie bereits Stunden dort zugebracht hatte, drehte ihm den Magen um.
Er könnte zu den Liars gehen …
Vor seinem geistigen Auge sah er Etheridges kühlen Gesichtsausdruck, während er darüber sprach, jemanden zu
opfern, dem er nicht trauen konnte. Wenn er nun entscheiden würde, dass Jane nicht zu trauen war? Was war, wenn er Ethan auftragen würde, sie zu lassen, wo sie war? Diesem Befehl würde Ethan nicht gehorchen – und sich somit offen gegen die Liars stellen. Er scherte sich wenig um die Gefahr für sich selbst, aber was würde aus Jane werden? Ihr Onkel war ein Verräter. Wahrscheinlich war sie nach Etheridges Einschätzung sowieso schon schuldig.
Er könnte zu Collis gehen. Collis schuldete ihm etwas.
» Ich bin ein Liar , Ethan. Meine Loyalität liegt bei ihnen.«
Also gut. Er war auf sich allein gestellt. Aber wie konnte er sie da rausholen? Übelkeit übermannte ihn bei dem Gedanken, dass Jane wie ein Tier im Käfig gehalten wurde. Sie dort rauszubekommen war alles, was zählte. Zur Hölle mit den Liars und ihren lächerlichen Ambitionen für ihn.
Zur Hölle mit Maywells Plänen und der nationalen Sicherheit.
Er musste wiedergutmachen, was er ihr angetan hatte.
Denk nach! Jeder konnte nach Bedlam hinein. Ein Schild am Eingang hatte den Eintrittspreis genannt. Ein Penny pro Kopf, um die Tiere im Zoo zu bestaunen.
Das Problem war nicht, hineinzukommen.
Das Schwierige war, mitten am Tag mit einer Frau an seiner Seite hinauszugehen.
Es sei denn … es sei denn … er ging mit einer hinein.
Er klopfte an die Decke. Die kleine Klappe öffnete sich, und der Kutscher schaute zu ihm herab. »Ja, Sir?«
»Ich hatte einen anstrengenden Abend«, sagte Ethan leichthin. »Ich brauche etwas Entspannung. Bitte fahr mich zu Mrs Blythes Freudenhaus.«
Jane saß auf dem Boden ihrer Zelle, in der am weitesten von der Tür entfernten Ecke. Es half ein bisschen, es als Zelle zu betrachten und nicht als Käfig. Irgendwie war das nicht so erniedrigend. Eine Gefängniszelle bedeutete, dass eine Straftat begangen worden war. Eine begangene Straftat bedeutete, dass es eine Person gab, die gefährliche Dinge tat. Ein Krimineller wäre stark und furchteinflößend, würde sich nicht hilflos zusammenkauern.
Sie war eine Gefangene, eine gefährliche Person, die aus Furcht vor ihrer kriminellen Natur in einer Zelle gefangen gehalten werden musste. Sie atmete tief ein und versuchte, sich gefährlich zu fühlen.
Es war ein dummes Spiel, aber es half. Ein bisschen.
Sie brauchte etwas, um ruhig zu bleiben, denn sie musste nachdenken. Wie konnte sie hier herauskommen?
Ethan wird kommen.
Er hatte sie letzte Nacht nicht hierlassen wollen, davon war sie fest überzeugt. Sie hatte ihn gehört, wie er ihren Namen gerufen hatte. Sie atmete ein. Ethan würde kommen. Doch dann: vielleicht auch nicht.
Sie hatte bereits jeden Quadratzentimeter des Kä-, der Zelle untersucht. Die Türangel befand sich auf der Außenseite, dort, wohin die Tür sich öffnete. Das Vorhängeschloss war groß und grob. Jane hatte davon gehört, dass sich einige Vorhängeschlösser mit einer Haarnadel knacken ließen, aber sie hatte keine. Ihre ganzen Besitztümer bestanden aus einem billigen Flanellkleid, weichen Lederslippern, einem heftig verbeulten Nachttopf, den sie nicht zu berühren wagte, und einer fadenscheinigen Decke, die sie in die andere Ecke der Zelle gelegt hatte, nachdem sie den
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