Die schoene Tote im alten Schlachthof
Bereitschaftspolizei Echternach bestand nur aus
einer kleinen Dienststube mit einem langen Tresen, wie es ihn auch in vielen
anderen kleineren Polizeistationen diesseits der Grenze gab, sowie einem
Aufenthaltsraum für die diensttuenden Beamten und einem Büro für den Chef vom
Dienst.
»Moien, Monsieur le Commissaire«, begrüßte Frens-Claude Kruse
Ferschweiler herzlich, nachdem dieser nach kurzem Anklopfen die Tür geöffnet
hatte. Beide hatten schon mehrfach zusammengearbeitet und kannten sich recht
gut. »Schön, dich einmal wieder bei uns zu sehen! Und nicht nur zum Kaffee-
oder Schnapskaufen. Wie geht es Rosi?«
Kruse war Mitte fünfzig und von untersetzter Statur. Wie um sich für
seinen weitgehend kahlen Schädel zu entschuldigen, trug er einen äußerst
üppigen Schnauzbart, dessen Farbe mit den Jahren von einem tiefen Schwarz zu
einem lichten Grau übergegangen war, der aber nichts von seiner Monumentalität
verloren hatte.
»Alles bestens, Frens. Uns geht es allen gut.«
»Möchtet ihr einen Kaffee? Die Madame von der Police
Judiciaire ist noch nicht eingetroffen.«
Kruse führte seine beiden Kollegen in das Büro seines Chefs, der
heute wegen einer Fortbildung in Brüssel weilte.
»Macht es euch bequem.« Mit einladender Geste wies er auf die lederne
Sitzgruppe, die fast die Hälfte des ansonsten eher spartanisch ausgestatteten
Büros einnahm. Kruse brachte Kaffee und ließ Ferschweiler und de Boer dann
allein. Er müsse Verbrecher jagen, sagte er beim Hinausgehen lächelnd und ließ
dann die Tür des Büros hinter sich mit Schwung ins Schloss fallen.
Ferschweiler und de Boer genossen schweigend ihr dampfendes Heißgetränk
und warteten auf ihre Kollegin. Als Tessy Contz schließlich eine gute
Viertelstunde später den Raum betrat, war Ferschweiler, der bereits wieder
kulinarischen Gedanken nachhing und den die Gerüche seiner Kindheit noch immer
nicht losließen, etwas überrascht. Er hatte mit einer Frau vom Alter, Aussehen
und Kaliber Michelle Bivers gerechnet: gestanden, vollschlank und jovial. Doch
die Frau, die ihm gegenüberstand, hatte so gar nichts mit ihrer Vorgängerin
gemein, zu der Ferschweiler immer ein recht gutes Verhältnis gehabt hatte.
Tessy Contz war circa einen Meter fünfundsiebzig groß, sehr schlank und durch
und durch weiblich. Sie sah einfach umwerfend aus. Auch de Boer schien
beeindruckt zu sein.
Tessy Contz war höchstens Ende zwanzig, gehörte also einer
Generation von Polizisten an, von der Ferschweiler stets gedacht hatte, dass
die Polizeischulen sie durch ihren akademischen Anspruch für die alltägliche
Ermittlungsarbeit verdorben hätten – profiling auf
wissenschaftlicher Grundlage war nicht seine Sache.
»Moien.« Sie reichte ihm ihre schlanke, äußerst gepflegt wirkende
Hand. Ihre Nägel waren perfekt manikürt und in einem geschmackvollen
Bordeauxrot lackiert. Ihre helle Haut war, wie Ferschweiler schon auf den
ersten Blick feststellte, makellos. Tessy Contz trug ein maßgeschneidertes
Kostüm und Perlenschmuck an Hals und Ohren. Am rechten Flügel ihrer schmalen,
vielleicht etwas zu langen Nase blinkte ein kleines Brillantpiercing. Selbst
Melanie Rosskämper hätte neben der jungen Polizistin nur knapp bestehen können.
»Können wir Deutsch reden, oder sollen wir es französisch machen?«,
wandte sie sich an Ferschweiler, der genauso wie de Boer unmittelbar bei ihrem
Eintreten von seinem Platz aufgesprungen war.
Ferschweiler musste schmunzeln, dann ungewollt husten.
»Nein, Madame Contz. Wir können, wenn Sie möchten, gern auf Deutsch
miteinander reden. Mein Französisch ist etwas eingerostet …«
Die Luxemburger Kollegin lächelte ihn vieldeutig an. Ferschweiler
spürte, wie sein Herz klopfte. Tessy Contz hatte er sich wirklich völlig anders
vorgestellt.
»Na dann, die Herren Kollegen, was kann ich für Sie tun?«
Sie nahm auf dem Sessel Ferschweiler gegenüber Platz und schlug ihre
langen, schlanken Beine übereinander.
Ferschweiler hatte auf einmal einen trockenen Mund. Seine Zunge
klebte ihm förmlich am Gaumen.
»Äh, ja«, begann er verunsichert. Mit Michelle Biver hätte er in
dieser Situation kein Problem gehabt. Aber Tessy Contz? Manchmal merkte er,
dass die Routine, die er sonst an den Tag legte, gar keine war und er mit
fortschreitendem Alter anders auf seine Umgebung, speziell auf Frauen,
reagierte, als er es sich als gestandener Polizist im Alltag oder vor seinen
Vorgesetzten eingestehen wollte.
»Monsieur Ferschweiler? Wollen
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