Die schoene Tote im alten Schlachthof
vor
einiger Zeit ein Anwesen in der Nähe von Echternach erworben hat. Woher er das
Geld dazu hatte, weiß ich nicht. Ich nehme an, es stammt aus dem Verkauf seiner
Kunst.« Helena Claus sah immer noch aus wie ein Häuflein Elend.
»Also in der Nähe von Echternach«, sagte Ferschweiler. »Können Sie
das nicht noch etwas präzisieren?«
»Es ist in Waldbillig, mitten in der Luxemburger Schweiz.« Helena
Claus sprach sehr leise.
Ferschweiler steckte das Foto in die Innentasche seines Mantels,
wandte sich zum Gehen, sagte aber dann noch: »Frau Claus, bitte halten Sie sich
zu unserer Verfügung.«
Als sie draußen auf dem Flur standen, fragte Ferschweiler de Boer:
»Hast du Juppes und seinen Kollegen gesagt, dass sie auch das Turmzimmer unter
die Lupe nehmen sollen?«
»Scheiße, das hab ich glatt vergessen bei all der Aufregung wegen
des Spinds.«
Wim de Boer war es sichtlich peinlich, nicht daran gedacht zu haben.
»Ich werde mich aber sofort darum kümmern. Oder brauchst du mich im
Moment?«, fragte er.
»Jetzt gerade nicht. Aber beeil dich. Kafka scheint ja nicht auf dem
Gelände zu sein, aber lass die Kollegen noch einmal alles nach ihm absuchen.«
»Wird gemacht, Chef.« De Boer eilte in Richtung Kunsthalle.
Ferschweiler klopfte an die Tür von Natascha Berggrüns Büro.
»Kommen Sie herein«, drang es durch die alte, leicht verzogene
Holztür. »Nur keine falsche Scheu.«
Das Büro der Akademieleiterin hatte Ferschweiler zwar schon mehrmals
zu Beginn seiner Ermittlungen betreten, tatsächlich wahrgenommen hatte er
dessen Einrichtung und Ausstattung bisher aber nicht. Neugierig sah er sich um.
Er fühlte sich fast wie in einem Museum für moderne Kunst. Links an der Wand
hing eine großformatige Arbeit, die sich bei näherem Hinsehen als eine Art
Collage aus verschiedenen Wellpappenresten und ausgerissenen Fragmenten arabischer
Tageszeitungen entpuppte.
»Das ist eine frühe Arbeit des Gründers der Akademie. Gefällt sie
Ihnen?«
Natascha Berggrün war von ihrem Schreibtisch aufgestanden und kam
auf Ferschweiler zu.
»Ich verstehe von Kunst viel zu wenig, um mir ein Urteil erlauben zu
können. Aber wem es gefällt …«, versuchte Ferschweiler auszuweichen.
Dr. Berggrün musste lachen. »Möchten Sie auch einen frischen Kaffee,
Herr Kommissar?«
»Och«, entfuhr es Ferschweiler. »Einen mit Milch würde ich wohl
nehmen.«
Dr. Berggrün öffnete ihre Bürotür. »Herr Haltaufderheide? Könnten
Sie so freundlich sein und für den Herrn Kommissar und mich einen Kaffee
aufbrühen? Vielen Dank.«
Als sie sich wieder zu Ferschweiler umgedreht hatte, sagte er: »Also,
liebe Frau Dr. Berggrün, ich möchte mich für die Unannehmlichkeiten
entschuldigen, die wir Ihnen gerade bereiten. Aber es haben sich einige Dinge
ereignet, die keinen weiteren Aufschub in unseren Ermittlungen erlauben. Nach
unserem bisherigen Stand geht es um weit mehr als nur um einen Mord aus Neid
und Eifersucht im Künstlermilieu. Wir vermuten, und das aus gutem Grund, dass
es um Drogengeschäfte geht.«
»Drogen?« Natascha Berggrün sah ihn ungläubig an. »Bei uns in der
Akademie? Sie müssen sich irren. Ihre Kollegen werden keine Drogen finden. Da
bin ich mir ganz sicher.«
»Warten wir ab, was unsere Drogenspürhunde, mit denen meine Kollegen
gerade die Akademie durchsuchen, finden werden.«
Es klopfte. Harry Haltaufderheide trat ein und servierte grinsend
den bestellten Kaffee.
»Da hast du meiner Kollegin aber ordentlich eingeheizt, Rudi. So
kenne ich die ja gar nicht.« Er hatte offensichtlich keine Ahnung, was hier
gespielt wurde.
Durch das Fenster konnte Ferschweiler beobachten, wie de Boer gemeinsam
mit Josef Simon die Kunsthalle verließ und schnurstracks auf die Verwaltung
zukam.
»Wann bekommen wir denn eigentlich unsere Computer und die übrigen
Dinge zurück, die Sie heute mitgenommen haben?«, wollte Dr. Berggrün wissen.
»Sehr bald schon, wenn alles nach Plan verläuft.«
Im nächsten Moment klopfte es erneut, und seine beiden Kollegen
betraten das Büro.
»Dürften wir uns kurz hier beraten, Dr. Berggrün?«, fragte Ferschweiler.
»Selbstverständlich, meine Herren. Was für eine Frage. Es geht
immerhin um den Ruf der Akademie.«
Schnell bemühte sie sich, auf ihrem Besprechungstisch zumindest
halbwegs Klarschiff zu machen. »Bitte, meine Herren. Nehmen Sie Platz.«
»Vielen Dank, Frau Dr. Berggrün, wenn Sie uns nun allein lassen
könnten?«
Dr. Berggrün blickte
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