Die schoene Tote im alten Schlachthof
wie der Innenraum des
Rezeptionstresens hatte und von außen ebenfalls mit Tropenholz ummantelt war.
Ferschweiler kam sich plötzlich ein wenig schäbig vor, seine Luxemburger
Kollegin passte hier allerdings bestens ins Bild, ebenso wie de Boer in seinem
gut sitzenden Anzug, der allerdings vermutlich auch nur durch die Hände eines
Lohnschneiders in Fernost gegangen war. Aber er mit seiner zerbeulten,
fleckigen Bundfaltenhose und dem alten Sakko, in dem er bereits mehr als einmal
geschlafen hatte?
»Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte eine der beiden Empfangsdamen
beflissen, als sie den Tresen erreicht hatten.
»Wir hätten gern den Chef des Hotels, Monsieur Kafka, gesprochen«,
sagte Tessy Contz.
»Und wen darf ich melden?«, wollte die charmante Dame im Raumschiff
wissen.
»Melden Sie Madame Tessy Contz in Begleitung von Freunden.«
»Sehr gern.« Die Empfangsdame lächelte und wandte sich dem Telefon
auf der anderen Seite des Tresens zu.
Nur wenige Sekunden später wandte sie sich wieder dem Trio vor dem
Tresen zu.
»Monsieur Kafka ist momentan nicht da, aber er wird in circa einer
halben Stunde erwartet. Wenn Sie so lange in unserem Restaurant Platz nehmen
möchten? Gern können Sie sich in der Zwischenzeit aber auch das Gelände
ansehen.«
Tessy Contz bedankte sich und führte ihre beiden Kollegen ins
Restaurant. »Das müssen Sie sich ansehen. Es ist wirklich extraordinär!«
Nachdem sie eingetreten waren, musste Ferschweiler ihr insgeheim
beipflichten. Obwohl er übertriebenen und vor allem zur Schau gestellten Luxus
nicht mochte, war er doch einigermaßen beeindruckt, ja geradezu fasziniert.
Hinter der Bar zierte wie in den alten Etablissements aus dem Paris der Belle
Epoque ein großer Spiegel die Wand, vor dem eine ansehnliche Batterie von
Flaschen mit allen nur erdenklichen Alkoholika aufgereiht war. Neben dem
Spiegel hing ein Gemälde, bei dessen näherer Betrachtung Ferschweiler stutzig
wurde. Hatte er dieses Motiv nicht schon irgendwo einmal gesehen? Das Bild
zeigte den gefesselten, vollständig bandagierten Körper eines Mannes, den
zahnlosen Mund zum stummen Schrei geöffnet. Unwillkürlich fröstelte es
Ferschweiler.
»Schau mal da, Chef. So etwas habe ich ja noch nie gesehen, nicht einmal
in den Luxushotels in Indonesien, für die mein Vater tätig war.«
Der Holländer wies auf den hinteren Teil des Restaurants, der einem
wahren Dschungel glich. Unterschiedlichste Orchideen, Farne und Gräser bildeten
so etwas wie eine künstliche Grotte. Am Boden der offenbar aus einem Fels
geschlagenen Nische hatten tropische Seerosen ihre Tabletts zu voller Größe
geöffnet, während an der Wand dahinter Wasser in Kaskaden herabfloss.
»Ah, Sie haben die Grotte im Blick«, ertönte es plötzlich hinter
ihnen. »Das ist wirklich mit das Imposanteste, was Laszlo uns bietet. Es ist superbe !«
Unbemerkt war eine Frau Mitte sechzig, gekleidet in einen – wenn
auch auf Figur geschnittenen – Malerkittel zu ihnen getreten.
»Mama«, sagte Tessy Contz in leicht vorwurfsvollem Ton. »Warum bist
du vorhin nicht an dein Telefon gegangen und tauchst jetzt hier so einfach auf?
Ich bin dienstlich unterwegs.«
»Ach, Kind, hör auf.« Madame Contz blickte Ferschweiler und de Boer
nacheinander freundlich an. »Ich hatte noch im Atelier zu tun. Hier herrscht
nun mal kein Müßiggang. Monsieur«, wandte sie sich an Ferschweiler, »darf ich
mich trotz meines gehobenen Alters zu Ihnen gesellen?«
»Aber mit Vergnügen«, antwortete Ferschweiler, dem die Frau sofort
sympathisch war. »Sie sind also die Mutter der bezaubernden Kollegin neben
mir?« Er konnte selbst nicht glauben, was er da soeben gesagt hatte.
»Das bin ich. Mein Name ist Agathe Contz«, antwortete die etwas
untersetzte Dame, die in ihrer Jugend sicherlich keine geringere Schönheit
gewesen war als ihre Tochter heute. »Und wie lautet Ihr Name?«
»Ferschweiler, äh, Rudolph Ferschweiler.«
»Monsieur Ferschweiler, es freut mich außerordentlich, Ihre
Bekanntschaft zu machen«, erwiderte Madame Contz und sagte daraufhin zu einem
in der Nähe stehenden Kellner: »Bitte bringen Sie mir einen Gin Tonic. Aber
mischen Sie bitte Q-Tonic mit Tanqueray, dann wird es gut.«
Die alte Dame verstand etwas vom Genießen. Ferschweiler hatte es
angesichts ihres Auftretens aber auch nicht anders erwartet.
»Frau Contz, was schätzen Sie denn an den bald buchbaren Ateliers in
Waldbillig besonders, etwa gegenüber der Trierer Akademie, an der Sie
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