Die schoene Tote im alten Schlachthof
Ferschweiler«, rief sie dem Kommissar zu, »halten Sie sich
zurück! Die Kollegen vom Sondereinsatzkommando sind gleich hier. Kafka, geben
Sie auf oder ich schieße!«
Ferschweiler schien sie jedoch nicht zu hören. Stakkatoartig schlug
er mit der Faust Kafka auf Schulter und Brust, während dieser versuchte, ihm
mit seiner Linken Schläge in die Nierengegend zu versetzen.
Tessy, die ihre Sandalen hatte fallen lassen und die Waffe nun mit
beiden Händen hielt, zielte auf das Knäuel männlicher Körper, sah aber keine
Möglichkeit, einen gezielten Schuss auf Kafka abzugeben. Die beiden Männer
kämpften weiter, so als hätte keiner von ihnen sie wahrgenommen. Blut rann über
die Gesichter beider Kontrahenten.
»Rudi«, rief Tessy noch einmal. »Lass ihn los, ich kann sonst nicht
schießen!«
Noch
immer schien Ferschweiler sie nicht zu hören. Tessy sah, wie er einen
heftigen Schlag ins Gesicht erhielt. Er taumelte zurück, hielt seinen Gegner
aber immer noch am Arm gepackt. Plötzlich hielt Kafka ein Messer in der rechten
Hand und wollte gerade auf Ferschweiler einstechen.
Tessy gab einen Schuss ab. Krachend durchbrach er die Stille des
Waldes.
Ferschweiler schrie auf, Blut spritzte aus seiner linken Schulter.
Mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht ließ er Kafka los und fiel rücklings zu
Boden. Kafka schien im ersten Augenblick erleichtert, dann schien er jedoch
gewahr zu werden, dass er, nun da Ferschweiler ihn nicht mehr festhielt, das
Gleichgewicht verlor und nach hinten fiel. Er versuchte, mit rudernden Armen
seine Balance zu wahren, aber es war bereits zu spät. Mit einem kurzen,
gellenden Schrei stürzte er von der Brücke in den darunterliegenden Tümpel.
Tessy hörte noch ein knackendes Geräusch, das sie an das
Zersplittern von morschem Holz auf Stein erinnerte, dann breitete sich Stille
im Wald aus.
ZWÖLF
Das Erste, was Ferschweiler spürte, war ein stechender
Schmerz in der linken Schulter. Langsam öffnete er die Augen und sah sich um.
Offensichtlich lag er allein in einem weiß getünchten Krankenzimmer. Was war
geschehen, und warum war hier niemand, der ihm ein Glas Wasser reichen konnte?
Er hatte fürchterlichen Durst.
Er versuchte, sich in seinem Bett aufzurichten. Seine linke Schulter
war vollständig bandagiert. Zur Stabilisierung hatte man ihm zusätzlich den
linken Arm vor dem Bauch fixiert. Er sollte sich wohl in keinem Fall bewegen.
An seiner rechten Schläfe klebte offenbar ein Pflaster. Vorsichtig
befühlte er die Stelle und zuckte unwillkürlich vor Schmerz zusammen. Das
Pflaster bedeckte eine mächtige Beule, wie er sie seit seinen Kindertagen nicht
mehr gehabt hatte. Ja, wenn er ehrlich war, hatte er eine derartige Verletzung
auch damals niemals erlitten, denn obwohl er aus Trier-West kam und er seinem
Viertel durchaus einen eher rauen Charme attestieren würde, hatte er sich in
seinem ganzen Leben noch nie richtig geprügelt. Bis heute jedenfalls. Aber
hatte der Kampf, an den er sich verschwommen erinnern konnte, tatsächlich erst
heute stattgefunden? Er war sich nicht sicher. Zudem hatte er noch immer keine
Ahnung, wie er in das Krankenzimmer gelangt war.
Ferschweiler verspürte eine bleierne Müdigkeit. Verzweifelt suchte
er nach der Klingel, um die Schwester zu rufen. Ein praktisch denkender Mensch
hatte die Klingelschnur um das Kopfteil des Bettes gewickelt. Dummerweise hing
sie aber zu Ferschweilers Linken. Mühsam und unter Schmerzen unternahm er
mehrere Versuche, mit dem rechten Arm über seine verbundene Schulter zu
greifen. Erst nach einer ganzen Weile gelang es ihm, sich vorsichtig nach links
zu drehen. Die verletzte Schulter dabei nicht zu belasten, war schier
unmöglich.
Schon wollte er vor Schmerzen laut aufschreien, Schweiß lief ihm
bereits die Stirn herunter, da gelang es ihm endlich, die Schnur mit den
Fingerspitzen zu fassen zu kriegen. Vorsichtig zog er sie zu sich heran und
betätigte den Klingelknopf. Dann sackte er erschöpft in sein Kissen zurück. Es
dauerte keine Minute, ihm kam es aber wie eine halbe Ewigkeit vor, bis eine
Krankenschwester sein Zimmer betrat.
»Moien, Herr Ferschweiler. Schön, dass Sie wieder bei uns sind. Sie
haben sehr lange geschlafen. Was kann ich für Sie tun?«
Behutsam hob sie mit einer Hand seinen Kopf an und richtete
geschickt mit der anderen das Kopfkissen.
»Wasser«, war das Einzige, was Ferschweiler hervorbrachte. Seine
Stimme klang rau und belegt.
»Der große Durst, den Sie verspüren, kommt von der Narkose.
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