Die schoene Tote im alten Schlachthof
und bewirkt, dass die Blutgefäße sich verengen. Auf diesem Wege wird
erreicht, dass der Körper wieder mehr Blut zur Verfügung hat. Außerdem erleichtert
es die Atmung.«
»Das sind für mich böhmische Dörfer, Doc. Warum ist das mit dem Blut
denn wichtig?«
»Als Folge des Schocks ist die Flüssigkeitsmenge in den Gefäßen
vermindert. Diesen Mangel kann man aber durch eine schnell laufende Infusion
ausgleichen. So kann man den Blutdruck wieder steigern und schließlich
stabilisieren. Gleichzeitig kann man mit der Infusion dem Körper Cortison
zuführen. Die Entzündungsreaktion des Körpers wird so wirkungsvoll gehemmt.«
Ferschweiler hatte Dr. Quint daraufhin die alles entscheidende Frage
gestellt: »War es Mord oder nur ein tragischer Unglücksfall?«
Und Dr. Quint hatte Ferschweilers Vermutung bestätigt. »Nach meiner
Meinung, Rudi, spricht alles für Mord. Wie gesagt, Walnussöl findet heute keine
Verwendung mehr in der Malerei, und Melanie Rosskämper hätte es wohl kaum bei
ihrer Arbeit benutzt.«
Der Täter musste also gewusst haben, schlussfolgerte Ferschweiler,
dass die Schöne am Freitagabend allein im Atelier arbeiten würde und keine
anderen Kursteilnehmer oder Dozenten in den Raum kämen. Zudem musste er oder
sie – Ferschweiler hatte noch keine Ahnung, zog aber alles in Betracht –
darüber im Bilde gewesen sein, dass die Künstlerin allergisch auf Nüsse
reagierte und vermutlich dazu neigte, die von ihr verwendeten Aquarellpinsel
spitz zu lecken. Ferschweiler war mittlerweile sehr nachdenklich geworden. Denn
alle diese Details schränkten den Kreis der möglichen Täter natürlich deutlich
ein, auch wenn Ferschweiler noch nicht wusste, wann und wie jemand Melanie
Rosskämper das Walnussöl hätte unterjubeln können. Dazu kam, dass er, jetzt wo
er vor den Studenten und Dozenten der Kunstakademie stand, auch noch keinen
blassen Schimmer hatte, wer von den hier versammelten »Künstlern« ein Motiv für
einen solch ausgefeilt vorbereiteten und perfide durchgeführten Mord gehabt
haben könnte.
***
»Und?«
De Boer war neugierig auf die Ausführungen des Psychologen. Doch der
hatte sich erst einmal in seinem Stuhl zurückgelehnt und massierte sich eine
Zeit lang nachdenkend das Kinn, bevor er endlich sagte:
»Melanie Rosskämper kam erstmals Ende Juni dieses Jahres zu mir in
die Praxis. Wir kannten uns aus dem Café am Viehmarkt, wo sie manchmal
kellnerte. Dort hatten wir einen ersten sehr heftigen Kontakt, der in einem
Hotelzimmer endete. Es war wunderschön. Aber ich habe sie danach nicht mehr
gesehen bis zu dem Tag, als sie plötzlich als Patientin bei mir aufgetaucht
ist.«
»Wissen Sie, warum sie ausgerechnet zu Ihnen kam?«
»Nein, ich habe keine Ahnung. Sie kannte meinen Namen nicht. Die
Nummer im Hotel war völlig anonym abgelaufen, sie hatte mich nicht einmal nach
meinem Vornamen gefragt. Sie hatte nur Sex, und zwar heftigen, gewollt. Glauben
Sie mir, so etwas hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Es war
gigantisch. Aber ich habe sie danach immer mit einem Vampir verglichen. Sie hat
mich regelrecht ausgesaugt – und meine leere Hülle dann liegen lassen.«
Dr. Hanus schienen die Erinnerungen allerdings zu gefallen. »Ich war
eingeschlafen, und als ich gegen einundzwanzig Uhr aufgewacht bin, war sie
bereits weg. Also bin ich am nächsten Tag wieder in das Café gegangen. Und sie
war tatsächlich da. Aber sie hat mich keines Blickes mehr gewürdigt. Als wenn
ich Luft wäre, als wenn zwischen uns nichts gelaufen wäre. Das hat mich schon
ziemlich enttäuscht. Und als ich sie angesprochen habe, hat sie plötzlich
geschrien und behauptet, ich hätte sie unsittlich angefasst.«
De Boer dämmerte so einiges. Der Psychologe hatte Angst um seine
Reputation und sich deshalb zunächst gesperrt.
»Stellen Sie sich einmal vor: Ich, ein renommierter Psychologe hier
in dieser kleinen Großstadt – und dann das! Und zu allem Überfluss hat sie
auch noch damit gedroht, mich anzuzeigen!« Dr. Hanus war außer sich.
»Aber Sie waren nicht der Mann, der sich vor Gericht verantworten
musste? Sonst hätte sie ja gewusst, wer Sie sind, bevor sie in Ihre Praxis
kam.«
»Nein«, erwiderte Hanus. »Das war jemand anderes. Aber er hat
offenbar das gleiche Schicksal erlitten. Bei mir ist es nicht zu einem
Verfahren gekommen, wir konnten uns gütlich einigen. Aber diese Frau wurde dann
knapp einen Monat später meine Patientin. Und sie hat da weitergemacht, wo sie
nach
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