Die schoene Tote im alten Schlachthof
Berthold. Er thronte hinter einer modernen Computerkasse
und wickelte den Andrang in der bei ihm bekannten Ruhe ab. Regelmäßig hielt er
beim Kassieren ein Schwätzchen mit dem jeweiligen Kunden, ohne sich darum zu
kümmern, dass es in der Schlange dahinter vor Ungeduld brodelte.
»Hallo, Berthold«, sagte Ferschweiler. »Bist voll in Aktion, was?«
»Rudi, was machst du denn hier? Ich dachte, du kommst nie auf diese
Seite des Flusses.«
Berthold war Ferschweilers Verbundenheit zu dessen Kiez natürlich
bekannt, dafür kannten sich beide schon lange genug.
»Ich bin eher dienstlich an der Uni. Kennst du zufällig einen Thomas
Gorges? Der muss hier Student sein.«
»Den Gorges, klar, den kenne ich. Der isst jeden Tag bei mir. Hängt
jeden Tag zwischen elf und drei Uhr hier rum. Dahinten sitzt er, dort am
dritten Tisch, der mit der blauen Mütze.«
»Dank dir, Berthold«, sagte Ferschweiler. »Mach’s gut, bis bald.«
»Willst du denn nichts essen? Wir haben heute einen ganz wunderbaren
Fisch, italienische Art.«
Doch Ferschweiler hatte den Kassenbereich des Bistros bereits
verlassen und steuerte direkt auf den beschriebenen Tisch zu.
»Guten Tag, darf ich mich zu Ihnen setzen?«, sagte er zu dem jungen
Mann mit der Mütze, der allein an seinem Tisch saß und bei dem es sich laut
Berthold um Thomas Gorges handelte.
»Bitte«, antwortete dieser und widmete sich wieder seinem dick
panierten Fischfilet.
»Schmeckt’s?«, wollte Ferschweiler wissen.
Aber der Student schien keine Lust auf ein Gespräch mit ihm zu
haben.
»Sind Sie Thomas Gorges?«, fragte Ferschweiler ihn geradeheraus.
»Äh, ja«, stammelte der Student überrascht und mit vollem Mund. »Und
wer will das wissen?«
»Ich bin Rudolph Ferschweiler, Hauptkommissar bei der hiesigen
Mordkommission.«
Der Student pulte sich wie gedankenverloren im Mund. Als er eine
kurze Pause einlegte, sagte er:
»Mordkommission? Aber der Fisch hier ist doch schon seit Langem
tot.«
Sprach’s und zog sich ein Fitzelchen Zeitungspapier aus dem Mund.
Als er den erstaunten Gesichtsausdruck Ferschweilers bemerkte, sagte
er: »So etwas gibt es hier immer wieder. Tätowierten Fisch nennen wir das. Es
gibt sogar schon einen ganzen Blog darüber. Die Qualität des Essens hier ist
manchmal eine Sache für sich, wirklich.«
»Aber Sie essen trotzdem jeden Tag im Bistro?«, fragte Ferschweiler
leicht verwundert. »Sie halten sich sogar fast vier Stunden täglich hier auf.
Warum?«
»Na, weil es hier so gemütlich ist. Seit die Wände in Rot und Gelb
gestrichen worden sind, sogar umso mehr«, entgegnete Gorges ironisch.
»Nicht, weil Sie an diesem Ort Ihre Geschäfte machen?«
Gorges wurde sichtbar nervös. »Haben Sie überhaupt einen Ausweis?
Was wollen Sie eigentlich von mir?«
»Nun beruhigen Sie sich erst einmal. Ich bin nicht wegen Ihrer
Geschäfte gekommen. Ich weiß davon, ja, aber dafür zuständig wäre eine andere
Abteilung.« Ferschweiler schaute dem jungen Mann in die Augen. »Wäre!
Konjunktiv, wenn Sie wissen, was ich meine. Ich bin für Mord zuständig. Und
damit haben Sie doch nichts zu tun, oder?«
Aber Gorges beruhigte sich nicht. Vielmehr zeigte sein Gesicht nun
eine gewisse Blässe.
»Ich, wieso? Was habe ich denn …? Nein.«
»Na also«, versuchte Ferschweiler, das Gespräch wieder in geordnete
Bahnen zu lenken. »Aber Sie handeln mit ägyptischen Zigaretten, oder?«
»Ja, manchmal.«
»Manchmal? Eher ständig, oder? Sie bestreiten damit Ihr Studium und
Ihren Lebensunterhalt.«
»Mensch, ja! Ich handele damit. Aber mein Studium kann ich davon
nicht bezahlen. Das ist nicht drin.«
Gorges verlor allmählich die Beherrschung. Ferschweiler musste aufpassen,
ihn nicht zu sehr unter Druck zu setzen, wenn er noch etwas aus ihm
herausbekommen wollte.
»Ich verticke so in der Woche ein bis zwei Stangen. Sonst nix.«
Na sicher, dachte Ferschweiler. Das wollen wir erst noch sehen.
»An wen verkaufen Sie die denn so? Es sind doch sicher Stammkunden?«
»Ja, im Grunde schon. Der eine ist so ein stiernackiger Playboy, der
andere ein schmieriger Typ mit großer Klappe. Und daneben gibt es natürlich
auch noch den einen oder anderen Studenten.«
»Und haben Sie von denen auch die Namen?«
»Nein. Die kommen immer her und bezahlen bar.«
»Besondere Kennzeichen?«
»Weiß nicht, sehen alle irgendwie gleich aus.«
Klar, dachte Ferschweiler. Verarschen kann ich mich allein.
»Und woher beziehen Sie Ihre Zigaretten?«
»Berufsgeheimnis«,
Weitere Kostenlose Bücher