Die schoene Tote im alten Schlachthof
letzten Platz
ausgebucht, meistens schon lange im Voraus, aber wenn Sie glauben, dass dies finanziell
entsprechend honoriert würde: Nein, Fehlanzeige! Aber das ist auch nicht das
Schlimmste.«
Kafka schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, ich besitze hier an der Akademie
so gut wie keinen Einfluss. Natürlich, ich veranstalte meine Kurse, die auch
alle sehr erfolgreich sind. Aber meine Kunstakademie? Dass ich nicht lache!«
»Hätten Sie denn gern mehr Einfluss in der Akademie? Auf das
Programm und den Lehrkörper?«
»Ja, natürlich, das ist es doch. Die Akademie krankt an mangelhaftem
Management. Kennen Sie den alten Spruch ›Der Fisch stinkt vom Kopf her‹?
Genauso ist es. Die Leitung besitzt keinerlei Mut für Innovationen, zu Risiken,
man meint, man wäre hier in einer kommunalen Einrichtung wie einem Hallenbad.
Alle schauen nur auf die Kosten und fragen sich ständig: Ob sich das noch
rentiert? Ob wir uns jenes bei den jährlich sinkenden städtischen Zuschüssen
noch leisten können? Sollten wir die Akademie nicht besser schließen? Was für
eine Verschwendung! Es ist einfach erbärmlich!«
Laszlo Kafka war mittlerweile aufgesprungen und gestikulierte wild.
»Dabei ist das Potenzial einer solchen Kunstakademie riesig! Aber die Anbindung
an die Kommune ist das Problem. Andere Konzepte würden fruchtbarere Ergebnisse
bringen.«
»Sie meinen also«, hakte Ferschweiler nach, dem das alles zu schnell
gegangen war, »dass die Kunstakademie in Trier ein Auslaufmodell ist?«
»Nein, ganz im Gegenteil«, entgegnete Kafka. »Die Akademie ist mit
das Beste, was dieser verschlafenen Stadt an der Mosel passieren konnte. Die
meinen schließlich, mit ihren Ruinen und dem bescheuerten Römerexpress, der die
Touristen mit einer Pseudolokomotive durch die Stadt karrt, genug für den
Tourismus getan zu haben. Aber man übersieht, dass es ohne die Akademie hier
ganz anders aussähe. Doch das Konzept ist nicht mehr zeitgemäß, es ist zu
egalitär, wenn Sie verstehen, Herr Kommissar.«
»Sind Sie eigentlich ausgebildeter Künstler?« Ferschweiler stellte
diese Frage eher aus Interesse an der schillernden Figur, die ihm da
gegenübersaß.
»Nein«, antwortete Kafka. »Geht das denn überhaupt, sich zum
Künstler ausbilden lassen? Ich jedenfalls bin berufen, einer zu sein. Ich habe
nie an einer staatlichen Akademie oder Kunsthochschule gelernt. Das Leben
selbst bietet alles, was ein Künstler braucht. Und wenn Sie nicht die nötigen
Sensoren haben, um es aufzunehmen, und die Möglichkeiten und Fähigkeiten, es
ästhetisch umzusetzen, was bringt Ihnen dann ein Diplom oder der Titel eines Meisterschülers?
Rein gar nichts.«
Mit leicht gesenktem, ein wenig schräg gestelltem Kopf blickte Kafka
Ferschweiler selbstsicher in die Augen.
»Ich jedenfalls, ich bin ein Naturtalent.«
Laut lachend lehnte er sich zurück. Ferschweiler verschlug es die
Sprache. Er hatte selten jemanden kennengelernt, der ihm so unsympathisch
gewesen war. Er verstand nicht, warum Kafka ihm nichts über sein angeblich so
großes Projekt erzählen wollte und warum er ihn auf die Frage, ob er rauche,
angelogen hatte. Ferschweiler hatte deutlich wahrgenommen, dass Kafka nach
kaltem Rauch roch.
Aber was für ein Motiv sollte gerade Kafka, der zu den Wenigen
gehörte, die Melanie Rosskämper gemocht hatten, für den Mord an ihr haben? Für
den Moment war Ferschweiler ratlos, nahm sich aber fest vor, diesen Künstler da
vor sich im Auge zu behalten und ihn näher zu durchleuchten. Er traute Kafka
kein Stück über den Weg.
ACHT
Es hatte angefangen zu regnen, als Ferschweiler und de
Boer am nächsten Morgen mit dem Wagen auf die Uferstraße fuhren, die Trier mit
der etwa acht Kilometer weiter südwestlich gelegenen Nachbargemeinde am
Zusammenfluss von Saar und Mosel verband. Der Verkehr war dicht, weil sich die
ganzen Berufspendler auf den Weg zur Arbeit gemacht hatten. Ferschweiler hatte
Konz nie gemocht. Er fand, es war eine mausgraue Stadt ohne Traditionen und
ohne eigenes Gesicht. Demnach war er nur dort, wenn es sich dienstlich nicht
vermeiden ließ. De Boer war im Zusammenhang mit dem Mord an Ulrike Kinzig zum
ersten Mal überhaupt in Konz gewesen.
Sie verließen die Schnellstraße kurz vor der Brücke über die Saarmündung
und erreichten die Innenstadt am Saarbrücken-Kopf, einem Kreisverkehr, auf
dessen rasenbegrünter Innenfläche die Skulptur eines überdimensionalen roten
Kunststoff-Donuts stand, der von einigen Scheinwerfern angestrahlt wurde
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