Die schoene und der Lord
verschwunden war, aber in der dichtgedrängten Menge konnte sie ihn nirgendwo entdecken. »Was wollen Sie von mir?« sagte sie mit leiser Stimme.
Er lächelte und wollte ihre Hand nicht loslassen. »Nicht mehr als einen Tanz, meine Teure. Ist das von einer Familienangehörigen denn zuviel verlangt?«
Catriona entschied rasch, daß es zuviel unliebsames Aufsehen erregen würde, wenn sie laut widersprach oder sich loszumachen versuchte. Ihr kam in den Sinn, was Robert ihr gesagt hatte. Hier in diesem Raum, wo die halbe Londoner Gesellschaft versammelt war, konnte Sir Damon ihr nichts antun. Offenkundig hatte er ihr etwas zu sagen — da er drei ihr nahestehende Menschen auf dem Gewissen hatte, Lady Catherine, ihren Bruder und Mary, war dies wohl anzunehmen —, und wenn sie ganz ehrlich war, empfand Catriona eine geradezu brennende Neugier, zu hören, was er ihr wohl mitzuteilen hätte. Die Musiker bereiteten sich gerade auf einen weiteren Walzer vor, und dies war eine geradezu ideale Gelegenheit, sich unbelauscht, aber doch vor aller Augen zu unterhalten.
Sir Damons Hand ruhte unangenehm fest an ihrer Taille, als er vor ihr in Ausgangsstellung ging. Bei der Berührung seiner Hände, die Mary so mißhandelt hatten, schauderte sie vor Ekel. Aber Catriona riß sich zusammen und sah zu ihm hoch, so daß sie direkt in die Augen eines Mörders blickte. Er wartete ab, bis die Musik einsetzte, und begann dann zu reden.
»Du siehst genau aus wie sie, weißt du«, sagte er, und im Schein der Kerzen war in seinen Augen ein seltsames Schimmern auszumachen — Reue? Bedauern?
»Nicht, daß ich wüßte«, erwiderte Catriona. »Ich habe meine Mutter nie kennengelernt.«
»Ich wußte, daß ich dieses Weib, diese MacBryan, noch in derselben Nacht hätte festnehmen lassen sollen für das, was sie der armen Catherine angetan hat, aber der Junge sah so schwächlich aus, daß ich ihn so rasch wie möglich zu seiner Amme bringen wollte. Und als ich in die Kammer zurückkam, war sie fort, und Catherine lag tot da.«
Er versuchte also, den Unschuldigen zu spielen. Catriona beschloß mitzuspielen. »Haben Sie Mary deshalb umgebracht? Für das, was sie Ihrer Vermutung nach meiner Mutter in jener Nacht angetan hat?«
»Sie ist also gestorben, ja?« Damon biß fest die Zähne zusammen. »Sie hätte noch Schlimmeres als meine Tracht Prügel dafür verdient, daß sie einer Sterbenden das Kind direkt aus der Gebärmutter geraubt hat. Als ich erfuhr, wer du warst, daß du tatsächlich lebtest, war ich außer mir vor Glück. Wenn ich mir vorstelle, daß du, meine liebe Cousine, nur wenige Meilen von mir entfernt gelebt hast, und ich habe dich nie kennengelernt. Wieviel Zeit wir so verloren haben. Wir hätten so viele Erinnerungen miteinander teilen können. Es schmerzt mich, wenn ich nur daran denke. Diese schottische Hexe wird in der Hölle schmoren für das, was sie getan hat.«
Catriona gab sich alle Mühe, ihren Abscheu vor ihm zu verbergen, obwohl sie beinahe zusammengezuckt wäre, als seine Finger ihre Hand noch fester drückten. Sie ließ ihren Blick zum Rand der Tanzfläche schweifen, um Robert ausfindig zu machen. Aber sie konnte ihn nirgendwo sehen.
»Warum bist du nach London abgereist, ohne mich vorher auf
Crannock aufzusuchen, Catherine? Dort ist jetzt dein Zuhause. Dort gehörst du hin, zu deiner wirklichen Familie.« Catriona fragte sich unwillkürlich, ob er sie wohl zusammen mit ihren anderen Angehörigen hätte vierteilen lassen und sie dann eigenhändig in der Erde verscharrt hätte.
»Ich hätte dir doch alles erklärt, wenn du mir bloß eine Gelegenheit dazu gegeben hättest«, sprach er weiter und riß sie so aus ihren Gedanken. »Warum bist du einfach fortgegangen?« Catriona gab ihm keine Antwort. Statt dessen fragte sie: »Was ist mit meinem Bruder geschehen?«
Damons Augen verdüsterten sich. »Wie ich schon sagte, er sah schon bei seiner Geburt recht schwächlich aus. Ich habe ihn zur Amme gebracht, aber es hat leider nicht viel genutzt. Er hat die Nacht nicht überlebt.«
»Haben Sie nicht nach einem Arzt schicken lassen?«
»Dazu sah ich keinen Anlaß. Crannock liegt sehr abgelegen, es hätte Tage gedauert, bis einer hingekommen wäre, und das Kind war noch vor Sonnenaufgang verstorben. Und als ich zu Catherines Bettstatt eilte, um mich um ihr Wohlergehen zu kümmern, war sie schon tot. Diese MacBryan, die Hexe, hat sie in einem Bett liegen lassen, das von ihrem eigenen Blut getränkt war. Wenn ich doch nur
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