Die schoene und der Lord
sachten Schütteins immer noch nicht reagierte, machte sie sich langsam Sorgen. Sie beobachtete seinen Brustkorb, konnte dort aber keinerlei Bewegung feststellen. Lieber Gott, dachte sie, war er etwa ...?
Catriona hielt ihm die Hand unter seine vom Whiskey gerötete Nase. Nichts zu spüren, keine Wärme, kein Atemhauch. Als sie die Hand wegzog, stiegen ihr schon Tränen in die Augen. Sie wollte es sich nicht eingestehen, aber als er sich Augenblicke später immer noch nicht rührte, wurde ihr die Wahrheit schmerzlich bewußt. Er war tot. Der Colonel hatte sie verlassen. Und sie war nicht dagewesen, um ihm eine gute Reise zu wünschen.
Vor Traurigkeit wurde Catriona das Herz schwer, während sie dastand und ihn betrachtete, wie er so ruhig und friedlich dasaß, und sie fragte sich, was sie nun ohne ihn, ihren besonderen Freund, anfangen sollte. So lange schon war der Colonel nun aus ihrem Leben einfach nicht wegzudenken; er mochte zwar uralt sein und auch nicht das ewige Leben besitzen, aber irgendwie hatte sie vorausgesetzt, daß er immer da sein würde. Und was sie noch trauriger stimmte, war, daß er ganz allein gestorben war.
Catriona beugte sich über den Colonel und wollte ihm die Lippen zu einem letzten Abschiedskuß auf die Stirn drücken. Dann aber schrie sie laut auf und wich blitzartig zurück, denn er hatte auf einmal die Augen aufgeschlagen.
»Was zum Teufel machst du denn da, Mädchen?«
Seine unerwartete Wiederauferstehung hatte Catriona so aus der Fassung gebracht, daß sie ihn nur anzustarren vermochte, kreidebleich und zitternd. »Ich wollte ... das heißt, ich dachte ...«
Der Colonel brach in meckerndes Gelächter aus und entblößte dabei sein fleckiges Gebiß, in dem zahlreiche Lücken klafften. Mit einer seiner knorrigen Hände fuhr er sich durch den weißen Bart. »Hihi. Du wolltest wohl sagen, du dachtest, ich hätte endlich den Geist aufgegeben, nicht wahr, Mädchen?« Catriona wußte darauf nichts zu erwidern. Dann sah sie, wie er seine Hand mit der Behendigkeit eines wesentlich jüngeren Mannes zur Seite schnellen ließ und die neben ihm stehende Flasche usquebaugh ergriff, aus der er einen tiefen Zug nahm. »Ah«, sagte er und wischte sich mit dem Handrücken den Whiskey aus dem Mundwinkel, »der würde selbst die Toten zum Leben erwecken.« Dann lachte er wieder vor sich hin. »Oh ja, mit Sicherheit. Mich hat er jedenfalls gerade zum Leben erweckt, nicht wahr?«
In seinen klaren Augen, die von unbestimmter Farbe waren, lag ein geradezu teuflisches Funkeln, und zahllose Lachfalten sprangen in seinen Augenwinkeln auf. »Was ist denn los, Mädchen? Das kenne ich ja gar nicht von dir, daß es dir die Sprache verschlägt. Hat die alte Mattie etwa deine Zunge gemopst?«
Endlich mußte Catriona lächeln, und sie ließ sich neben ihm auf dem staubigen Boden nieder. »Hören Sie schon auf, mich so aufzuziehen, Colonel. Sie haben mir einen Heidenschrecken eingejagt.« Sie grinste ihn erleichtert an und spürte noch deutlicher, welch einen herben Verlust es für ihr Leben bedeuten würde, wenn er nicht mehr da wäre. »Nicht etwa, weil ich Sie für tot hielt, denn so war es nicht. Ich war einfach so ratlos, was ich ohne Sie anfangen sollte.«
Der Colonel strich ihr mit einem seiner altersrauhen Finger über die Wange. »Ach, Mädchen, du erinnerst mich an meine süße Mattie, meine Frau, wohlgemerkt, nicht dieses nutzlose Katzenvieh hier. Gott behüte sie, meine Mattie. Sie war genauso lebhaft wie du. Und genauso schön. Sie fehlt mir so sehr, herrje. Aber du? Wenn ich bloß fünfzig Jahre jünger wäre ...« Er nahm einen weiteren Schluck aus seiner Flasche. »Ich muß dir jetzt etwas verraten.«
»Hat es mit dem Schatz zu tun?« wollte Catriona sofort wissen und beugte sich gespannt vor.
»Natürlich hat es mit dem Schatz zu tun, Mädchen. Uns läuft die Zeit davon, denn ich hätte heute morgen wirklich gut abkratzen können, und wie hätten wir dann dagestanden? Ich bin der letzte, der noch von Prince Charlies Gold weiß. Die anderen — Lochiel, MacPherson, der ganze Haufen — haben alle geschworen, das Geheimnis darum mit ins Grab zu nehmen, denn sie glaubten fest daran, Prince Charlie und die Seinen würden noch einmal wiederkehren und es zurückfordern. Wir alle gelobten, es nicht auszugraben, bis jede Gefahr eines weiteren Aufstandes gebannt wäre. Nach dem Tod des Stuarts aber schwärmten sie los wie die Fliegen zum Aas und holten sich das Gold, das bei Arkaig versteckt
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