Die schoene und der Lord
schon wieder?«
»Ich konnte es ihm vom Gesicht ablesen und aus seinen Worten heraushören, als er mit mir sprach.«
»Du hast mit dem jungen Gutsherrn gesprochen?«
»Ja. Als ich heute morgen nach Rosmorigh kam, saß er in der dunklen Bibliothek. Es war eine ziemliche Überraschung für mich, aber er war nicht böse darüber, daß ich gekommen bin, und auch nicht darüber, daß ich schon öfter dort war, um mir die Bücher anzusehen.«
»Du hast ihm erzählt, daß du dir die Bücher ansiehst?« »Natürlich habe ich ihm das erzählt.«
»Wirklich, Mädchen, wieso hast du ihm nicht gleich alles verraten, was wir über den Schatz wissen?«
Catriona runzelte die Stirn. Der Colonel war verärgert, aber wohl nur, weil er nichts verstand. Der Herzog war großartig, genau wie er auf seinem Porträt ausgesehen hatte. Er war ganz und gar nicht, wie die Leute immer dachten.
»Hast du ihn denn gefragt, ob er zu bleiben vorhat? « fragte der Colonel, noch immer gereizt.
»Nein. Das ging nicht, weil sein Bedienter hereinkam und ich mich schnell in Sicherheit bringen mußte.« Bei der Erinnerung mußte sie lächeln. »Aber es ist komisch, er hat dem Die-ner nicht erzählt, daß ich da war. Ich habe nämlich noch hinter der Tür gewartet und gelauscht, um zu hören, ob er das tun würde.«
Mit finsterer Miene dachte der Colonel ein Weilchen nach und blickte dann zu Catriona hinüber. »Du mußt wieder nach Rosmorigh zurückkehren, Mädchen. Du mußt wieder hingehen und den jungen Gutsherrn aufsuchen.« Er griff nach ihrer Hand, und seine Stimme klang ernst. »Und dann mußt du ihn loswerden, genau wie wir die anderen vor ihm losgeworden sind.«
Kapitel 6
In der Bibliothek von Rosmorigh war es dunkel, als Catriona die Geheimtür aufschob, aber nicht völlig dunkel. Es war schon spät, der Mond stand hoch über dem einsam aufragenden Turm des Schlosses, und am endlosen schwarzen Himmel blinkten zahllose Sterne. Wenn der Raum so dalag, war er Catriona am liebsten. In Finsternis gehüllt. Totenstill. Abgeschieden. Geheimnisvoll. Genau der Ort, an dem man einen Schatz zu finden vermutet. Mancher mochte die Stille und pechschwarze Finsternis als unheimlich, sogar furchteinflößend empfinden, aber für Catriona waren die Hochlandnächte auf Rosmorigh immer magisch und voller Wunder.
Oft, wenn sie mitten in der Nacht ins Schloß kam, wartete sie noch ein Weilchen, bevor sie die mitgebrachte Kerze anzündete, in deren Schein sie die Bücher durchstöberte. Dann setzte sie sich auf die behaglichen Kissen im Erker, zog die Knie bis zum Kinn hoch und beobachtete, wie das nächtliche Licht auf dem Wasser spielte, das sich unter ihr in der Tiefe ausdehnte. Wenn sie so allein dort saß, wurde ihr immer ganz wehmütig ums Herz, und manchmal dachte sie dann an Bonnie Prince Charlie und an die Monate, die er versteckt im Hochland zugebracht hatte, immer auf der Flucht vor den englischen Soldaten. Der Colonel hatte ihr erzählt, daß der Prinz sich sogar einmal eine Nacht lang auf Rosmorigh verborgen hatte. Catriona stellte sich gerne vor, daß er an genau dieser Stelle im Fenster gesessen und Ausschau gehalten hatte, verzweifelt das Auftauchen der französischen Fregatte herbeisehnend, die ihn in Sicherheit bringen würde. Ein- oder zweimal war sie dort sogar eingeschlummert, den Kopf gegen den Fensterrahmen gelehnt, und war erst wieder erwacht, als bereits das pastellfarbene Licht der aufziehenden Morgendämmerung durch die Fensterflügel hereinfiel.
Die Vorhänge auf der anderen Seite waren jetzt offen, und das einfallende Mondlicht verbreitete in jenem Teil des Raums einen bläulichen Schimmer. Catriona entdeckte den Sessel des Herzogs, dessen dunkelroter Samtbezug im düsteren Licht beinahe schwarz wirkte. Jetzt saß niemand darin, aber ein schwacher Abdruck im Kissen kündete davon, wo er eben noch gesessen hatte.
Insgeheim hatte sie gehofft, er wäre bei ihrer Rückkehr noch auf, aber ihre Vernunft hatte die Oberhand behalten, und so hatte sie so lange abgewartet, bis er mit Sicherheit schon schlafengegangen war. Catriona wußte, daß sie sich nicht gestatten durfte, noch mehr über ihn nachzugrübeln. Ausgeschlossen, daß sie ihn näher kennenlernte und am Ende noch echte Zuneigung zu ihm entwickelte, wo er doch Rosmorigh ohnehin wieder verließ.
Catriona blickte zur Wand hinter dem Sessel, wo sein Porträt hing und vom Mondlicht hell erleuchtet wurde. Natürlich blieb es eine großartige Wiedergabe seiner Erscheinung, aber
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