Die schoene und der Lord
denn eigentlich hätte es sein erster Gedanke sein müssen. Wallace Burnett, der Marquis von Kinsborough. Der größte Rivale seines Vaters.
Abgesehen von dem, was er über ihn aus Sammlerkreisen erfahren hatte - und selbst dies war spärlich genug, da der Marquis nur selten höchstpersönlich bei Auktionen auftauchte und seine Geschäfte fast vollständig durch einen Agenten abwickeln ließ -, wußte Robert so gut wie nichts über den Mann. Ihm war bloß bekannt, daß er über ausgedehnte Besit-zungen in Yorkshire verfügte, mit den üblichen Lastern wie Spielen oder Trinken nichts im Sinn hatte und sich unter seinen Standesgenossen einer vorzüglichen Reputation erfreute. Man rühmte seine Großzügigkeit und nannte ihn ein leuchtendes Vorbild für die Gesellschaft. Berüchtigt war er einzig durch die wohlbekannte Rivalität mit Roberts Vater, und selbst diese wurde von den meisten nur als humoriger sportlicher Wettstreit unter Gentlemen aufgefaßt.
Es klang allerdings kein bißchen humorig, wenn Roberts Vater über den Mann redete und dabei sogar Bitternis in seinem Tonfall mitschwang. Robert wußte noch, wie er seine Mutter, die Herzogin, einmal danach gefragt hatte, woran es lag, daß die beiden Männer einander so unversöhnlich bekriegten. Sie hatte bloß den Kopf geschüttelt und Robert beschieden, man solle die Vergangenheit besser ruhen lassen, und daß der Vorfall, der diese beiderseitige Feindseligkeit verursacht hatte, sich vor langen Jahren in Cambridge zugetragen hatte, wo Kinsborough und sein Vater seinerzeit gemeinsam studierten. Anscheinend hatten die beiden Männer sich dort an der Universität kennengelernt, und dort mußte auch jene erbitterte Konkurrenz zwischen ihnen aufgeflammt sein, die von der Sorte war, welche ein Leben lang anhält.
Eine Konkurrenz, die schließlich, so erinnerte sich Robert dann, mit dem Tod seines Vaters ein vorzeitiges Ende gefunden hatte.
Hatte Kinsborough womöglich den Brand gelegt, um so die erbitterte Schlacht zwischen den Rivalen ein für allemal zu beenden? Wenn die Sammlung in Devonbrook nicht mehr existierte, hätte dies ohne Zweifel Kinsboroughs eigener Sammlung unter der Gesellschaft in der Stadt eine herausragende Geltung verschafft. Aus den Aufzeichnungen seines Vaters über die Unterbringung der verschiedenen Stücke ging hervor, daß der Löwenanteil der Sammlung sich in Devonbrook House befunden hatte und mithin durch das Feuer zer-stört worden war. Kinsborough war außerdem wohlbekannt, welche Rolle Robert spielte, was die Leidenschaft seines Vaters betraf. War es denkbar, daß er die Gerüchte in Umlauf gebracht hatte, Robert sei für das Feuer verantwortlich, um so die Aufmerksamkeit — und den Verdacht - von sich abzulenken? Robert überlegte. Noah hatte in seinem Brief berichtet, wie sein Vater Lord Cheveley mitgeteilt hatte, er werde Kinsborough bald schachmatt setzen. Worauf mochte sein Vater angespielt haben? Teil ihrer Abmachungen war gewesen, daß Robert alle Ankäufe für die Sammlung tätigte. Alles, was diesen Punkt betraf, fiel in seine Zuständigkeit. Womöglich aber war der Herzog einem Stück auf der Fährte gewesen, ohne dies mit Robert abzusprechen. Hatte er irgendwie Kenntnis von einem so außerordentlichen Stück erhalten, daß er sich auf dessen Spur begab, ohne Robert vorher einzuweihen? Und hatte vielleicht auch Kinsborough davon erfahren und entschieden, daß die Konkurrenz unter Studienfreunden nun endgültig jedes erträgliche Maß überschritten hatte?
»Ist das alles, was mein Bruder schreibt?« fragte Robert schließlich, denn ihm war aufgefallen, daß Catriona schon seit einiger Zeit schwieg.
»Nein. Es geht noch weiter.« Catriona las weiter.
»Anbei schicke ich dir die letzten Zeitungsberichte, die dich mit der Lage in Frankreich, soweit bekannt, befassen; Forbes kann die Dir ja vorlesen. Tolley schreibt, die Stimmung in Brüssel sei von jauchzender Vorfreude geprägt. Jeden Abend finden Bälle statt, und die Burschen tanzen bis zum Morgengrauen, denn ed ist völlig ungewiß, wann man die in den Kampf schickt. Napoleon hält dich noch in Paris auf und hat bislang mit den Verbündeten keine Friedendverhandlungen aufgenommen. Frieden! Findest Du deine Frechheit nicht auch unglaublich? Die verbündeten Staaten erwarten deinen nächsten Zug, der mit Gewißheit eine Offensive beinhalten wird. Wellington brennt darauf, ihm eine Niederlage zu versetzen, und wird diesmal dafür Sorge tragen, daß er kein drittes Mal an
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