Die schoene und der Lord
Gefühl.
»Sie sagten, ich solle einen Brief an Ihren Bruder aufsetzen?« sagte sie dann und ließ sich hinter dem Schreibtisch aus gestreiftem Holz nieder, wo sie zur Feder griff.
»Lieber Noah«, fing Robert an, »nach Deinem Brief ist mir ein Einfall gekommen, und ich möchte Dich bitten, ihm weiter nachzugehen, sobald es Dir irgend möglich ist. Der Marquis von Kinsborough. Du kannst Quinby heranziehen, er soll Dir in jeder Weise behilflich sein. Überprüfe den Zustand seiner Finanzen, wo er sich in den vergangenen Monaten überall aufgehalten hat, besonders in der Nacht vom 22. Februar, und alles weitere, was Dir einer näheren Betrachtung wert erscheint. Ich erwarte Deinen nächsten Brief und werde meine eigene Arbeit hier vor Ort fortsetzen. Dein Bruder Robert.«
Catriona bestreute den Brief mit Sand, um die Tinte zu trocknen, und faltete ihn dann zusammen. »Haben Sie ein Siegel?« »Mein Vater müßte eins im Schreibtisch aufbewahrt haben. In der obersten Schublade.«
Catriona zog die Schublade auf. Sie war leer bis auf eine kleine, flache Holzschachtel, die ganz nach hinten geschoben worden war. Die zog sie hervor. »Oh«, sagte sie, als sie sie öffnete.
»Was ist?«
»Ich habe in der Schublade eine Schachtel gefunden, von der ich annahm, daß sie das Siegel Ihres Vaters enthielt, aber es befinden sich statt dessen eine Reihe Dokumente darin.« Robert ging um den Sessel herum und trat langsam auf sie zu. »Dokumente?«
»Ja.« Catriona überflog rasch das oberste Blatt. »Beschriebene Seiten. Es macht den Eindruck, als handele es sich um eine Art Abhandlung. Hier auf der zweiten Seite steht sogar ein Titel. >Eine Reise durch das schottische Hochland, abgefaßt von Seiner Gnaden, James Edenhall, dem fünften Herzog von Devonbrook«. Hatte Ihr Vater womöglich vor, eine Chronik zu verfassen, in der er seine Aufenthalte auf Rosmorigh schildern wollte?«
»Nicht, daß ich davon wüßte«, erwiderte Robert. »Ich wußte ja nicht einmal, daß es Rosmorigh überhaupt gibt. Obwohl, ein solches Vorhaben könnte seine zahlreichen Reisen hierher erklären.«
Catriona las weiter und blätterte rasch die Seiten durch. »In den einzelnen Abschnitten der Abhandlung nimmt er sich offenbar jeweils einen bestimmten Schauplatz aus dem Umkreis des Schlosses vor und beschreibt ihn dann, wobei er seine eigene Einschätzung wiedergibt; das Ganze ähnelt der von Boswell veröffentlichten Abhandlung, in der er seine Rundreise über die Inseln schildert, die er mit Johnson zusammen unternommen hat.« Dann brach sie in Kichern aus, als sie mit der Lektüre des ersten Teils der Chronik begann. »Was ist denn?«
»Hier steht, daß ihr Vater auf einem seiner ersten Streifzüge die Witwe Gorrie besucht hat. Die Witwe lebt als Pächterin auf Rosmorigh-Land, und ihre Schilderung ist ebenso amüsant wie zutreffend. Er schreibt: >Die Frau, die hier auf diesem Höfchen lebt, ist äußerst eigenartig. Ihre Haut ist von höchst ungesunder Farbe, dergleichen ich noch nie zuvor gesehen
habe. Sie bot mir ihren Sessel an, daß ich darauf Platz nähme und ein wenig ausruhen möge, aber eingedenk ihres eigentümlichen Parfüms lehnte ich dies höflich ab.<«
»Was ist denn an ihrem Parfüm so eigentümlich?«
»Vor allem, daß sie gar keines benutzt. Tatsächlich badet sie so gut wie nie, denn sie glaubt, dies sei eine Schliche des Teufels, der so durch die Haut eines Menschen an seine Seele gelangt. Um den alten Clootie, wie sie ihn nennt, fernzuhalten, reibt sie sich sogar zusätzlich die Haut mit einem Präparat ein, das sie aus verschiedenen Pflanzen bereitet. Einer der Pflanzen, die sie benutzt, verdankt sie auch ihren Spitznamen — Valeria. Der äußerst ungewöhnliche Geruch, der ihr anhaftet, ist auf ihren Gebrauch von Baldrian, lateinisch valeria, zurückzuführen, und was noch schlimmer ist, da sie ihre Mixtur verwendet, ohne je zu baden, ist ihre Haut davon ganz blau geworden!« Robert schmunzelte belustigt. »Ist sie verrückt?«
»Eigentlich nicht. Bloß zuweilen ein wenig verwirrt.« Catriona überflog die nächsten Seiten. »Anscheinend hat Ihr Vater auf seinen Streitzügen alle Pächter auf Rosmorigh besucht. Er schreibt hier über jeden einzelnen, außerdem schildert er die Stellen, an denen er unterwegs rastete, und auch jeden, dem er unterwegs begegnet ist.« Rasch blätterte sie weiter bis zu den letzten Seiten des Manuskripts. »Es sieht ganz so aus, als hätte er regelmäßig daran geschrieben, bis zum letzten
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