Die schoene und der Lord
schien für Zauber und Wunder aller Art.
Verborgen in der Tasche ihres Kleides befand sich der Zweig weißen Heidekrauts, schützend eingehüllt in das feine Tuch. Vor Aufregung schlug ihr das Herz bis zum Hals, und auch aus Vorfreude darüber, daß Robert jetzt bald sein Augenlicht zurückbekäme.
Sie trug ihr neues Kleid, mit dessen Fertigstellung Mairead den ganzen Tag über beschäftigt war, und Mary hatte ihr ein einzelnes blaues Band ins Haar geflochten, das ansonsten gelöst war und ihr in dichten, gewundenen Wellen über den Rücken hinabhing. Am Ohr spürte sie, wie die Bandenden sachte in der Abendbrise flatterten.
Als sie die Bibliothek betrat, saß Robert am Schreibtisch und hielt das Gesicht über eine kleine Statuette geneigt, die vor ihm stand.
»Robert?«
Hastig richtete er sich auf, zu hastig allerdings, denn er riß dabei die Plastik zu Boden, wo sie mit einem Klirren entzweibrach.
»O je«, seufzte Catriona und ging rasch zu ihm, um die Scherben einzusammeln, die eben noch ein Pferd dargestellt hatten. »Ich fürchte, es ist nicht mehr zu heilen.«
»Lassen Sie nur«, sagte er. »Forbes wird sich darum kümmern. Er ist es mittlerweile gewohnt, hinter meiner Ungeschicklichkeit herzuräumen. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, daß Sie noch kommen«, bemerkte er dann, abrupt das Thema wechselnd. »Eigentlich hatte ich heute schon früher mit Ihnen gerechnet. Aber da hatte ich mich wohl geirrt.«
Er klang nicht sehr erfreut. Sie sah ihn an. »Ich hatte auch vor, früher zu kommen, aber dann ist zu Hause etwas dazwischengekommen, das ich erledigen mußte. Das hat länger gedauert, als ich dachte.«
Catriona hatte tatsächlich noch etwas zu tun, und außerdem hatte sie den ganzen Tag über auf die Rückkehr ihres Vaters gewartet. Er war ausgegangen, um den Colonel zu suchen, und war noch immer nicht zurück, als sie lange nach Sonnenuntergang aufbrach. Zunächst hatte sie gar nicht Weggehen wollen, aber ihre Mutter hatte sie am Ende doch noch überredet, indem sie ihr versicherte, daß Angus den Colonel finden würde, und ihr ausmalte, wie vergnügt der vor sich hinglucksen würde, wenn er von der Sorge erführe, die sie seinetwegen ausgestanden hatte. Catriona konnte nur beten, daß ihre Mutter recht behielte.
»Mir ist außerdem wieder eingefallen, daß Ihr Vater den nächsten Ort in seiner Abhandlung bei Nacht aufgesucht hat. Da habe ich mir überlegt, daß wir das auch tun sollten, um seine Beobachtungen dort möglichst getreu nachempfinden zu können.«
Catriona war es eigentlich sehr unrecht, Robert zu belügen, aber ihr war nichts Besseres eingefallen, um ihn in ihrer Begleitung zum Loch zu bekommen. Sie wußte noch nicht so recht, wie sie ihn dazu überreden sollte, ins Wasser zu steigen, wenn sie erst dort waren. Ihr schlechtes Gewissen wegen dieses Täuschungsmanövers wurde allerdings durch das Wissen gemildert, daß er bald wieder sehen können würde. Catriona tastete in ihre Tasche und berührte das Tuch mit dem Heidekraut darin. Bald, so sagte sie sich, bald schon würde alles anders sein.
Sie überlegte, wie lange sie wohl im Wasser des Lochs bleiben mußten, bis Roberts Augenlicht wiederhergestellt war, denn erst, wenn sie ganz sicher sein konnte, daß der Zauber des weißen Heidekrauts seine Wirkung getan hatte, würde sie ihm die Wahrheit über den Schatz anvertrauen. Sie wußte, eigentlich hätte sie ihm dies schon sagen sollen, als ihr klar wurde, daß sein Vater sich ebenfalls auf der Fährte des Schatzes befunden hatte. Dies war die Wahrheit, und deswegen war er schließlich überhaupt nach Rosmorigh gekommen. Sie hatte es ihm aber nicht verraten, denn sie wußte nur zu gut, daß Robert Rosmorigh verlassen würde, sobald sie ihn aufklärte. Er würde nach London zurückkehren und dort Mittel und Wege finden, Lord Kinsboroughs Schuld zu beweisen. Dabei hegte sie einen Herzenswunsch: Wenn Robert schon nach London zurückkehrte, dann sollte er jedenfalls wieder sehen können, damit niemand es mehr wagen würde, ihn zu verspotten.
»Ihr Vater hat als nächstes den Loch Linnanglas aufgesucht. Er ist zu weit weg, um zu Fuß hinzugehen, und deshalb bin ich eben bei den Stallungen vorbeigegangen. Da Ihr Stallbursche offenbar schon schlafen gegangen ist, habe ich Bayard selbst aufgezäumt. Er erwartet uns im Hof.«
Robert blieb am Tisch sitzen und ließ seine Hände flach auf der Schreibplatte ruhen. »Da Sie sich schon die Mühe gemacht haben, das Pferd herzurichten,
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