Die schoene und der Lord
können wir selbstverständlich gleich aufbrechen. Wenn Sie aber vorher noch die Güte hätten, ich habe nämlich heute aus Brüssel einen Brief von Tolley erhalten.«
Jetzt verstand Catriona sofort, warum er bei ihrer Ankunft so angespannt gewirkt hatte. Er hatte den ganzen Tag darauf gewartet, die Neuigkeiten über Bonaparte zu hören. »Natürlich.« Rasch erbrach sie das Siegel am Brief und las ihm den Inhalt vor.
»London wird mich bald wiederhaben. Es ist vorüber, Rob, und abermals ist Bonaparte von uns geschlagen worden. Die letzte, entscheidende Schlacht hat vor gerade zwei Tagen an einem Ort namens Waterloo stattgefunden. Et war ein erbitterter Kampf, mit vielen Opfern auf beiden Seiten, aber am Ende trugen Wellingtons Männer den Sieg davon. Und jetzt muß der Rat über Bonapartes weiteres Schicksal entscheiden. Zahlreiche Stimmen fordern seine Hinrichtung, aber aller Voraussicht nach wird er ein weiteres Mal in die Verbannung geschickt werden, doch diesmal lebenslänglich. Mein nächstes Ziel ist jetzt Paris. Dort werde ich so lange Aufenthalt nehmen, bis ich erfahren habe, was mit ihm geschehen wird, und dann nach London weiterreuten. Seit Deinem Brief Mitte Mai habe ich nichts von Dir gehört. Ich hoffe aber, daß wir uns sehen, wenn ich in der Stadt bin. Beste Grüße, Tolley .«
Als Catriona geendet hatte, sah sie zu Robert hinüber. Seine Augen waren geschlossen, und er hielt den Kopf gesenkt, so daß sein Kinn an seiner Brust ruhte. »Robert?«
»Diesmal war ich mir keineswegs sicher, daß er zurückkehren würde.« Er hob den Kopf. »Ich danke Gott, daß dies der Fall ist.«
Catriona griff nach seiner Hand, und Robert bemühte sich, sie deutlicher zu erkennen. Im schwachen Lichtschein des Feuers nahm er nur schemenhafte Umrisse wahr, aber er versuchte dennoch, sie in den verschwimmenden Formen auszumachen.
Angestrengt hielt er den Blick nach vorne gerichtet, konzentrierte sich und gab sich alle Mühe, unter den ungeordneten Farbflächen, die er undeutlich wahrnahm, etwas Faßbares, Reales zu erkennen. Und dann sah er ganz kurz etwas aufblitzen, das so blau wie der Himmel war, bevor es ebenso blitzschnell wieder verschwand.
Während der Wochen, die er Catriona jetzt schon kannte, hatte Robert sich oft die Frage gestellt, was er täte, wenn er sie je wieder verlöre. Sie bedeutete ihm schon so viel. Vor dem Brand hatte er die Menschen in seiner Umgebung immer als selbstverständlich empfunden und angenommen, sie würden für alle Zeit ein Teil seines Lebens bleiben. Mittlerweile wußte er, welch ein Irrtum dies gewesen war. Und er wußte auch, daß er diesem Irrtum nie wieder zum Opfer fallen würde.
Mary fuhr zusammen, als es an der Haustür klopfte, während sie gerade das Haggis aus dem Topf auf die vor ihr stehenden Teller schöpfte. Sie wollte schon hingehen, um die Tür aufzumachen, aber Angus gebot ihr mit einer Handbewegung Einhalt.
»Ich gehe schon, Mary. Ich weiß, wer es ist.«
Natürlich, dachte sie. Das konnte nur der Colonel sein.
Angus hatte ihn an jenem Tag nicht ausfindig machen können, weder bei der Witwe Gorrie noch in seinem Häuschen, wo er später am Abend vorbeigesehen hatte. Auch die Leute, die er ausfragte, hatten den Colonel nirgendwo gesehen. Der Brief, den Catriona unter seiner Tür vorgefunden hatte, war von seiner Schwester Margaret, die in London lebte. Sie bat ihn darin inständig, zu ihr zu kommen, und flehte ihn an, diesen Brief nicht ebenso unbeachtet zu lassen wie all die anderen, die sie ihm bereits geschickt hatte. Die MacBryans hatten nicht einmal von der Existenz dieser Schwester gewußt; der Colonel hatte sie noch nie erwähnt, selbst Catriona gegenüber nicht. Ihren Worten nach zu urteilen, hatte Margaret anscheinend schon seit einiger Zeit nichts mehr von ihm gesehen oder gehört, und nach Lektüre des Briefes kamen sie zu dem Schluß, daß er vielleicht fortgereist war, um sie endlich einmal wiederzusehen. Als sie aber jetzt sein Klopfen an der Tür hörte, erkannte Mary ihren Irrtum. Wo er auch gewesen sein mochte, jetzt war der Colonel zurück und hatte bei sich zu Hause seine Katze nicht vorgefunden; daraus mußte er geschlossen haben, daß Catriona sie mit heimgenommen hatte. Catriona würde es bedauern, daß sie seine Rückkehr verpaßt hatte.
Angus öffnete die Tür, aber es war nicht der Colonel. Es war Ian Alexander, der dort auf der Schwelle wartete.
»Guten Abend, Ian«, sagte Mary und drehte sich um, als sie hörte, wie Angus
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