Die schoene und der Lord
Ich ...«
Aus der Ferne drang schwach ein Rufen herüber, gefolgt von donnernden Hufschlägen, weil sich ihnen ein weiterer Reiter mit hoher Geschwindigkeit näherte. Neben dem Mann auf dem schwarzen Hengst brachte er sein Pferd zum Stehen. »Wir haben noch einen von diesen Schmugglern aufgespürt, Lord Dunstron. Hat mit einem Karabiner auf den jungen Robbie gefeuert und ihn voll am Arm erwischt. Haben ihn jetzt in die Enge getrieben, aber er droht damit, den nächsten angelsächsischen Dragoner abzuknallen, der ihm zu nahe kommt.«
Lord Dunstron. Catriona erkannte den Namen wieder. Er war Großgrundbesitzer und Gutsherr auf Schloß Crannock, einem Besitz mehrere Meilen nordöstlich von Rosmorigh. Sie hatte ihn noch nie leibhaftig gesehen, aber sie konnte sich erinnern, wie ihr Vater einmal gesagt hatte, Lord Dunstron sei ein grausamer und unnachgiebiger Gutsherr. Einmal hatte er eine Pächterin von seinem Land vertrieben, eine über siebzigjährige Frau, die man in schändlicher Weise aus ihrem Haus gezerrt hatte, während sie kaum mehr am Leib hatte als ihre Nachtwäsche. In diesem unzureichenden Aufzug hatte sie dann mitansehen müssen, wie man ihr Häuschen vor ihren Augen in Flammen aufgehen ließ. Damals war Winter gewesen, ein besonders harter und bitterkalter noch dazu, und die Frau war in der Kälte umgekommen, weil sie nirgendwo ein schützendes Obdach gefunden hatte.
Lord Dunstron wandte sich um, um Catriona nochmals ins Auge zu fassen. Unwillkürlich verzog sie das Gesicht. »Es hat den Anschein, als müßte ich jetzt weiter«, sagte er, »aber ich hoffe doch, daß wir uns bald einmal wieder unterhalten können.« Dunkel hob sein schwarzer Handschuh sich vom Morgenhimmel ab, als er sich grüßend an den Hut tippte. »Guten Tag, Miss.«
Wortlos sah Catriona mit an, wie Lord Dunstron seinen Hengst herumriß und seine Männer lautstark aufforderte, ihm zu folgen, während er den Abhang so ungestüm hinabgaloppierte, daß die Erdklumpen hinter ihm nur so aufstoben. Catriona hoffte inständig, der arme Mann, dem er nachsetzte, möge ihm entkommen. Wenn sie bedachte, was Angus ihr über ihn erzählt hatte, konnte man für nichts garantieren, wenn Lord Dunstron ihn erst gefangengenommen hatte. Catriona wartete, bis die Reiter verschwunden waren, bevor sie durch den verborgenen Durchlaß zu den Höhlen schlüpfte. In ihrer Eile hatte sie vergessen, eine Kerze mitzubringen, und so kam sie in dem Gang nur mühsam voran, weil sie in der Finsternis ihren Weg ertasten mußte, indem sie mit den Handflächen über die Wände fuhr. Es war zum Verzweifeln, wieviel Zeit das kostete. An einer Stelle bog sie in einen Gang ab, der nach rechts abzweigte, statt ihrem gewohnten Weg zu folgen, der zur Bibliothek von Rosmorigh führte.
Während sie dahinlief, rief sie immer wieder laut nach ihrem Vater, erhielt jedoch keine Antwort. Stille umgab sie, die nur durch das Geräusch ihrer Schritte unterbrochen wurde. Sie drang immer weiter vor und näherte sich schon dem Ausgang, der schließlich auf den Strand hinausführte. Keinerlei Anzeichen deutete darauf hin, daß Angus oder jemand anderes sich kürzlich hier befunden hatte.
Catriona schnürte sich der Hals zusammen, und sie mußte schwer schlucken, als sie spürte, wie der weiche Boden unter ihren dünnen Schuhen nachgab. Die Höhlenwände waren schlüpfrig und glatt, und der Geruch von Meerwasser lag in der Luft. Die Flut war allerdings gekommen und nun bereits im Begriff, sich wieder zurückzuziehen.
Vielleicht hatte er ja einen Weg ins Freie gefunden, versuchte Catriona sich zu beruhigen, während sie noch tiefer vordrang und immer weiter dem felsigen Höhlengang folgte. Das mußte es sein. Angus war hinausgelangt und hielt sich an einem anderen Ort versteckt, um ganz sicher zu sein, daß die Steuereintreiber fort waren, und erst dann heimzukehren. Angus hätte nie zugelassen, daß seine Familie durch seine Schmuggelei in Gefahr geriet. Es bestand kein Grund zur Sorge. Gewiß befand er sich in Sicherheit, genauso mußte es sein.
Vor sich im Gang sah Catriona einen schwachen Lichtschein, der anzeigte, daß sie sich jetzt der Stelle näherte, wo die Höhlen sich zum Strand unterhalb der Schloßklippen hin auftaten. Dicht vor dem Höhlenausgang mußte sie haltmachen, denn das Wasser stand immer noch so hoch, daß die Wellen träge ins Innere schwappten.
Von Angus war keine Spur zu entdecken.
Da fiel Catrionas Blick auf die Holzkiste, die halb von Sand verborgen im
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