Die Schoene und der Prinz
„Ich kann dir gar nicht sagen, wie begeistert ich bin, etwas so Hinreißendes zu besitzen.“
Wieder streckte sie die Arme nach ihm aus, aber der Prinz entzog sich ihr, indem er nach dem zweiten Päckchen griff, das er auf dem Tisch abgelegt hatte.
Es enthielt einige Bogen Pergamentpapier, die mit einem roten Klebband zusammengehalten wurden.
Der Prinz händigte Lucille die Rolle aus.
„Mein zweites Geschenk ist die Besitzurkunde dieses Hauses.“
Sie starrte ihn bestürzt und sprachlos an, und er fuhr fort: „Ich habe außerdem eine größere Summe auf dein Bankkonto überwiesen, die dir ein sorgenfreies Leben gewähren wird, wenn du nicht mehr die sagenhaften Gagen bekommst wie jetzt.“
Lucille rührte sich nicht von der Stelle. Sie sah ihn nur an und fragte dann: „Warum schenkst du mir das alles?“
„Um dir für das Glück zu danken, das du mir während unseres Zusammenseins gewährst hast.“
„Während der drei Jahre“, murmelte sie.
„Ganz recht, während der drei Jahre.“
Schweigen breitete sich aus, dann ließ Lucille sich mit versagender Stimme vernehmen:
„Willst du damit sagen, daß du mich verlassen wirst?“
„Wir waren uns beide darüber einig“, sagte der Prinz ruhig, „daß jeder von uns unsere innige und beglückende Freundschaft lösen konnte, wenn er es wollte, ohne Erklärungen abgeben oder sich Vorwürfe anhören zu müssen.“
„Ich weiß, daß wir das vereinbart haben“, erwiderte Lucille, „aber ich habe nicht erwartet … ich hätte nie für möglich gehalten …“
Sie stockte und fragte dann:
„Willst du damit sagen, daß … daß es eine andere gibt?“
„Das stimmt, aber ich möchte nicht darüber reden“, entgegnete der Prinz. „Ich möchte dir nur alles Glück der Welt wünschen, Lucille, natürlich auch weiterhin beruflichen Erfolg und ein stetiges Ansteigen deines Ruhmes als Künstlerin, den du in London längst genießt.“
Lucille sagte kein Wort. Unverwandt starrte sie auf das Schmuckkästchen, das sie noch immer in den Händen hielt.
Der Prinz legte die Pergamentrolle auf den Tisch zurück, sah die Tänzerin dann eine Weile stumm an und sagte leise:
„Leb wohl, Lucille. Ich danke dir für alles.“
Die Tür war bereits leise hinter ihm ins Schloß gefallen, da erwachte Lucille erst aus ihrer Trance.
„Warte!“ schrie sie. „Warte doch!“
Sie rannte zur Tür, riß sie auf. Doch da hatte er das Haus bereits verlassen.
Von der Haustür aus sah sie seine Kutsche wegfahren, konnte nur noch flüchtig seinen Rücken sehen, dann war er um die Wegbiegung verschwunden.
Außer sich vor Zorn und Schmerz schleuderte sie das Schmuckkästchen samt hochkarätigem Inhalt zu Boden und brach in Tränen aus.
„Ich möchte zu gern wissen, wann János uns wohl wieder einen Besuch abstatten wird“, sagte die Prinzessin, als Forella das Buch, aus dem sie vorgelesen hatte, zuschlug.
Offensichtlich war sie während des Vorlesens mit den Gedanken nicht recht bei der Sache gewesen. Forella gestand sich ehrlich ein, daß es ihr ähnlich ergangen war.
Seit der Prinz abgereist war, konnte sie an nichts anderes mehr denken als an ihn. So sehr sie sich auch dagegen wehrte, ihre Gedanken kehrten immer wieder zu ihm zurück.
Langsam war sie nach seinem abrupten Aufbruch aus dem Garten ins Haus zurückgekehrt, verwirrt und verstört zugleich. Er war bereits weg gewesen, und die Prinzessin hatte sich bitter über die kurze Visite beklagt und ihrem Unmut Luft gemacht.
„Jetzt sehen wir ihn bestimmt wochenlang nicht wieder“’, hatte sie gesagt. „Doch ich darf mich nicht beklagen, verdanke ich es doch seiner Güte, daß ich hier in Sicherheit bin.“
„Er … ist vermutlich nach London gereist“, hatte Forella mühsam hervorgebracht. Das Sprechen fiel ihr schwer.
„Selbstverständlich“, bestätigte die Prinzessin. „Und das bedeutet, daß seine hochwohlgeborenen Freunde, an der Spitze der Kronprinz und die Kronprinzessin, bereits ungeduldig auf ihn warten, um sich seiner anregenden Gesellschaft zu erfreuen, wie es uns auch ergeht.“
Als Forella an diesem Abend in ihrem Bett lag, war sie lange wach gewesen und hatte an den Prinzen denken müssen und gespürt, daß ihre Liebe zu ihm ständig größer wurde, daß sie ihn mit jedem Herzschlag mehr liebte.
Sie versuchte sich klarzumachen, daß es lächerlich und absurd war, daß sie dagegen ankämpfen mußte, doch mit dem ihr eigenen Gespür für Menschen hatte sie sich vom ersten Augenblick ihrer
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