Die Schoene und der Prinz
und dem Vater der Braut ausgehandelt worden war, verliebte ich mich in Gisella, als ich sie in ihrer Schönheit das erste Mal erblickte.“
Aus einem ihr selbst unerklärlichen Grund löste diese Aussage ein merkwürdiges Gefühl bei Forella aus. Obwohl sie keinen Ton von sich gab und sich nicht bewegte, schien er zu spüren, daß sie ihm aufmerksam zuhörte.
„Erst nach unserer Vermählung erkannte ich, daß Gisella sehr jung, ja geradezu kindlich für ihr Alter war“, fuhr der Prinz fort. „Da wir uns vorher selten gesehen hatten, war mir das nicht aufgefallen.“
Er stieß einen Seufzer aus, der aus seinem tiefsten Inneren zu kommen schien, bevor er weitersprach:
„Das ist eigentlich schon die ganze Geschichte. Gisella wurde nie erwachsen. Obwohl ihre Eltern ganz sicher wußten, wie es um sie stand, waren sie so entzückt über unsere Vermählung, daß sie nichts davon erwähnten, um die Verbindung unserer beiden Familien nicht zu gefährden.“
Forella sah ihn fassungslos an, sagte aber nichts, und der Prinz fuhr fort:
„Erst als ich begriff, daß Gisella nicht fähig war, sich länger als ein paar Sekunden auf irgend etwas zu konzentrieren, daß sie sich für eine Blume oder einen Schmetterling mehr interessierte als für ihren Mann, der in ihrem Leben völlig fehl am Platze schien, erkannte ich die volle Wahrheit.“
„Gab es denn keine Möglichkeit, ihren Zustand zu verbessern?“ fragte Forella mit belegter Stimme.
„Sie können sich gewiß vorstellen“, erwiderte er, „daß ich sie zu allen berühmten Ärzten Ungarns brachte und auch Kapazitäten in Österreich und Frankreich aufsuchte. Sie alle konnten mir lediglich bestätigen, was ich selbst schon erkannt hatte: Sie war ein Kind geblieben und würde nie erwachsen werden.“
Er schwieg einen Augenblick, bevor er fortfuhr:
„Sie habe, so sagte man mir, vermutlich bei ihrer Geburt einen Gehirnschaden erlitten, vielleicht hatte sie auch jemand als Baby fallen lassen. Genau konnten sie mir nicht sagen, woher ihr Leiden rührte.“
Er sagte das in so schmerzlichem Ton, daß Forella unwillkürlich die Hand nach ihm ausstreckte, um ihn zu trösten.
„Das ist noch nicht alles!“ sagte er dann verbittert.
„Was war noch?“
„Als Gisella älter wurde, bekam sie Anfälle und wurde zuweilen richtig bösartig und unberechenbar.“
„Wie entsetzlich!“ rief Forella bestürzt aus.
„Das ist auch der Grund dafür“, fuhr der Prinz fort, als habe er ihren Ausruf gar nicht gehört, „daß ständig zwei Pflegerinnen bei ihr sein müssen und sie keinen anderen Menschen sehen darf. Manchmal vergeht eine Woche oder sogar ein Monat ohne einen Anfall, doch wenn er dann kommt, ist es beängstigend.“
Wieder atmete er tief durch, bevor er schloß: „Das ist alles, was es dazu zu sagen gibt. Ich wollte, daß Sie die Wahrheit erfahren.“
„Ich bin froh, daß Sie es mir offen gesagt haben“, erklärte Forella, „aber der Gedanke, wie sehr Sie gelitten haben müssen, schmerzt mich.“
„Ich brauche kein Mitleid“, entgegnete der Prinz schroff. „Ich habe für genügend Entschädigung in meinem Leben gesorgt und möchte keine davon missen.“
Sie nahm an, daß er seine Pferde meinte, vielleicht noch seine angesehene Stellung in Ungarn und auch in England und seinen Reichtum, aber zum erstenmal kam ihr zu Bewußtsein, daß er trotz des Glanzes, der ihn umgab, ein einsamer Mensch war.
„Sie haben so vielen Menschen geholfen“, sagte sie leise, „und ich wünschte, ich könnte Ihnen meine Dankbarkeit erweisen, indem ich Ihnen auf irgendeine Weise helfe.“
Zum erstenmal, seit sie auf der Sitzbank im Sommerhäuschen Platz genommen hatten, wandte er sich ihr zu, und wieder gab ihr sein Gesichtsausdruck Rätsel auf.
„Ich werde Vorkehrungen treffen, Sie irgendwo unterzubringen, wo Sie in Sicherheit sind“, sagte er dann. „Vielleicht in Ungarn. Wenn Ihre Verwandten Sie nicht aufnehmen, dann werden es meine mit Freuden tun.“
„Ungarn?“ wiederholt Forella tonlos. „Aber das ist so weit weg, und ich würde mich ängstigen so allein. Bitte, kann ich nicht hierbleiben? Ich bin so glücklich bei der Prinzessin und so froh darüber, Sie ab und zu sehen zu können.“
Sie blickte zu ihm auf, und als die Augen des Prinzen ihren Blick erwiderten, schienen sie plötzlich immer größer zu werden. schien alles um sie herum zu versinken, nur diese großen grauen Augen waren da und beherrschten ihr ganzes Denken und Fühlen.
Für eine
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