Die Schoene und der Prinz
es nicht zu tun, da Besucher sie nur aufregen, und das ist für ihren Zustand gefährlich.“
„Sie hat ihre Tauben.“
„Ja, die Tauben. Aber es sind mittlerweile zu viele“, erwiderte die Prinzessin unwillig. „Andere Tiere kann man ihr nicht anvertrauen. Aber Tauben können wegfliegen.“
Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Der Prinz hatte Forella gegenüber bereits angedeutet, daß seine Frau zuweilen gewalttätig wurde.
Sie glaubte, die Anwesenheit dieser Frau im anderen Teil des Anwesens deutlich zu spüren, und verstand auch, weshalb es so viele Dienstboten gab.
Jetzt war ihr klar, weshalb die „arme Lady“, die mit ihren Pflegerinnen völlig isoliert lebte, kaum erwähnt wurde, höchstens hin und wieder hinter vorgehaltener Hand.
Ein grausames Schicksal, vor allem für ihn, dachte Forella.
Sie betete für beide, doch die Tage vergingen und der Prinz kehrte nicht zum Manor zurück. Ihre Gebete wurden immer flehender und verzweifelter, doch sie wurden nicht erhört.
Eines Morgens versetzte ihr Mrs. Newman, die ihr beim Ankleiden half, einen gehörigen Schreck.
„Entfernen Sie sich lieber nicht zu weit vom Haus, Mylady“, mahnte die Frau. „Ich sah Sie gestern in den Wald gehen.“
„Man hat von da aus einen so herrlichen Blick“, erwiderte Forella.
„Trotzdem wäre es besser, Sie blieben im Garten.“
„Warum?“
Die Frau schwieg, aber Forella, die spürte, daß etwas nicht stimmte, ließ nicht locker:
„Warum sagen Sie mir das? Was ist geschehen?“
„Vielleicht sollte ich Sie damit verschonen, Mylady“, erwiderte Mrs. Newman zögernd, „aber es treibt sich irgendein Fremder auf dem Grundstück hemm. Thomas hat ihn erwischt, wie er bei den Ställen herumlungerte, und ihn sofort zur Rede gestellt. Er behauptete, ein Besucher zu sein, der sich verirrt habe.“
Forella spürte, wie ihr Herz schneller klopfte.
Sie hatte den Optimismus des Prinzen im Grunde nie geteilt, das erkannte sie in diesem Augenblick. Insgeheim hatte sie immer befürchtet, daß ihr Onkel nach ihr suchen lassen würde, wenn sie nicht wieder auftauchte.
Sie war so in ihre Gedanken und Gefühle für den Prinzen eingesponnen gewesen und hatte die Ruhe und den Frieden genossen, die sie im Manor gefunden hatte, daß ihr jetzt schmerzhaft bewußt wurde, wie vertrauensselig sie gewesen war.
Sie war nirgendwo sicher, denn ihr Onkel war ein sehr gewissenhafter Mensch und würde es als seine Pflicht erachten, sie aufzustöbern und zurückzuholen.
Man würde sie nach London bringen, Tante Kathie würde sofort ihre Verlobung bekanntgeben und sie Tag und Nacht bewachen, so daß sie keine Gelegenheit mehr haben würde, ihrem Schicksal zu entfliehen.
Was soll ich tun? Was soll ich nur tun? dachte sie verzweifelt.
Sie hätte zu gern mit der Prinzessin darüber gesprochen, mochte die alte Dame aber nicht unnötig aufregen.
Außerdem würde sie auch nicht helfen können. Schließlich war sie an den Rollstuhl gefesselt, und gegen das Gesetz konnte sie nichts unternehmen, ebenso wenig wie der Prinz. Auch er würde machtlos sein, wenn ihr Vormund seine Rechte über sein Mündel geltend machte.
Wenn ihr Onkel und ihre Tante weiter auf ihrer Heirat mit dem Grafen bestanden, würde ihr selbst der wildeste Protest und heftiges Sträuben nichts nützen. Sie mußte die verhaßte Verbindung eingehen.
Angesichts der sich abzeichnenden Gefahr erkannte sie auch, wie umsichtig es von dem Prinzen war, Vorkehrungen zu treffen, daß sie in Ungarn Unterschlupf fand. Je eher das geschah, desto besser.
Sobald sie außer Lande war, würde kein Detektiv sie mehr behelligen können. Dann war sie endlich in Sicherheit und brauchte keinerlei Nachstellungen mehr zu befürchten.
Doch bis dahin bestand immer noch die Gefahr, daß man sie fand und zur Rückkehr ins Haus ihrer Verwandten zwang.
Sie mußte etwas unternehmen, und sie wußte auch schon, was.
Bevor sie zu den Ställen ging, wo Thomas mit dem gesattelten György auf sie wartete, lief sie in die Bibliothek und schrieb hastig einen Brief an den Prinzen:
„Euer Hoheit, in der Nähe des Hauses treibt sich ein Mann herum, der sich für die Bewohner zu interessieren scheint. Alle sind ziemlich beunruhigt darüber. Bestimmt ist es jemand, der für Onkel George Nachforschungen anstellt.
Kommen Sie bitte so schnell wie möglich hierher. Ich habe schreckliche Angst und weiß, daß nur Sie mir helfen und mich retten können. Forella“
Sie steckte den Brief in einen Umschlag, schrieb die
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