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Die Schöne und der Tod (1)

Die Schöne und der Tod (1)

Titel: Die Schöne und der Tod (1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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Ein kleines Flackern, das Knistern, und wie der Schweiß langsam auf seine Haut kommt. Wie die Kälte geht. Wie er sich hinsetzt und sich Emma vorstellt, wie sie in einem englischen Bett schläft, weit weg.
    Max will sich spüren, den Alkohol aus seinem Körper werfen, er will endlich wieder klar denken, nüchtern sein. Er will, dass ihm die Hitze weh tut. Neunzig Grad, dann Wasser. Immer wieder gießt er auf, überall sind Fragen. Was man mit einer Leiche macht. Wohin man sie bringt. Wozu sie gut sein kann. Sie haben Augusts Haus durchsucht, sie war nicht da, nichts von ihr, aber irgendwo hat er sie hingebracht, etwas hat er getan mit ihr. Warum? Warum sollte er seine tote Frau ausgraben, was kann man mit einer Leiche machen? Niemand hätte es jemals erfahren, wäre nicht seine Uhr gewesen. Wie der Sarg einfach leer war. Wie es immer heißer wird. Warum Dennis tot ist. Warum er nicht mehr kommt. Nie mehr mit ihm gräbt. Er gießt weiter auf.
    Sein Atmen ist flach, er zwingt sich zu bleiben, nicht aufzuspringen, in die Kälte hinauszulaufen, er bleibt sitzen. Er wird sie finden, er wird nicht damit aufhören, sie zu suchen, egal, wie lange es dauert. Seine Haut brennt, er versucht, sein Atmen unter Kontrolle zu halten, nicht zu hecheln, ruhig zu bleiben, auszuhalten. Es brennt. Es sind jetzt weit über hundert Grad in der Kabine. Er will die Tür aufreißen, hinaus in die Kälte laufen, er will bleiben, kurz noch, alles tut weh, jeder Fleck auf ihm, die Hitze bohrt sich in ihn hinein. Er bleibt. Kurz noch. Bis die Fragen still sind in ihm. Wie sein Herz fast zerspringt, wie er kaum noch Luft bekommt. Wie er die Tür aufreißt.
    Kurz bevor sein Kreislauf zusammenbricht, bevor alles in seinem Kopf dunkel wird, legt er sich in den Schnee, er saugt die kalte Luft in sich hinein, bleibt liegen. Sein Körper dampft, er atmet schnell und gierig, er spürt die Kälte nicht, nur wie sein Körper sich freut. Wie er nach oben schaut. Der Himmel ist schwarz, überall sind Sterne. Der Himmel ist groß in dieser Nacht, Max ist klein im Schnee. Er bleibt einfach liegen. Er muss es zu Ende bringen.
    Irgendwo liegt sie, schön, wie sie war, einbalsamiert. Sie sagt nichts mehr, kommt auf keine Titelseite mehr, sie wird verwesen, verfaulen, zerfressen werden von irgendwelchen Tieren, Würmern, nichts mehr wird von ihr übrig bleiben. In ein paar Jahren werden da nur noch Knochen sein, wie bei all den anderen, die er eingegraben hat. Marga. Er wird sie finden und er wird sie zurück in ihr Grab legen. Er steht auf und geht zurück in die Kabine, er legt sich hin, er setzt sich auf, er ist unruhig, er muss etwas tun, etwas unternehmen, es kann nicht so bleiben, wie es ist. Keinen Tag länger.
    Er bläst die Kerze aus und geht nach oben. Nackt öffnet er zwei Dosen Thunfisch und setzt sich an seinen Schreibtisch. Er sucht nach Marga. Und er findet sie.
    Seine Finger, wie sie ihren Namen ins Suchfeld tippen, wie er auf Enter drückt, weil ihm sonst nichts mehr einfällt. Marga Horak. Google findet alles über sie, alles über ihr Leben, über ihren Tod, ihren Selbstmord, das Begräbnis und den Diebstahl der Leiche. Wie er Fotos von ihr sieht, wie sie über seinen Bildschirm geht, Marga auf Laufstegen, auf Titelblättern. Max isst, immer wieder stößt er auch auf Fotos von sich selbst. Der Totengräber, wie er die Faust ballt und in die Kamera droht. Marga, sie ist überall, dieses perfekte Gesicht, ihr magerer Körper. Max trinkt Wasser, es ist egal, wie spät es ist, wie müde er ist, er will sie, er will ihre Leiche zurück in das Grab legen, er will, dass es aufhört, egal, wie sinnlos es ist, was er tut, wie dumm seine Frage, die er in den Rechner tippt.
    Wo ist Marga, schreibt er.
    Warum nicht, denkt er und liest. Die Zeitungen rätseln mit ihm, er kennt alle offenen Fragen, sie spekulieren mit ihm, sie schreiben über Moral, reißerisch.
    Warum stiehlt man eine Leiche, schreibt er.
    Nichts. Das Netz gibt keine Antworten, das Netz ist kein Orakel, das Netz vertreibt nur die Zeit, wenn ihm langweilig ist, wenn er es nicht mehr aushält im Dorf, wenn er weg will, wenn er sich nach der Welt sehnt. Das Netz antwortet nicht. Noch einmal tippt er es.
    Warum stiehlt man eine Leiche? Enter.
    Nichts, nur Berichte von Medizinstudenten in Niederbayern, die Schädel vom Friedhof gestohlen haben, Artikel über Organräuber aus Polen, die Menschen umbrachten, um sie auszunehmen. Nichts über Marga, nichts, das Sinn ergeben würde.
    Sind

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