Die Schöne und der Tod (1)
formalingetränkte Organe wertlos, schreibt er.
Max kennt die Antwort, niemand würde einen Euro für eine Formalin getränkte Leber geben, Margas Innereien sind nicht weiter verwertbar, das ist es nicht. Er tippt eine neue Frage in den Rechner, eine sinnlose Frage nach der anderen. Schwarz stehen sie im Eingabefeld, sie bleiben unbeantwortet. Es sind nur Vermutungen, die Max quälen, nicht mehr, nichts Handfestes, nichts, das ihn weiterbringt.
Vielleicht wollte er noch einmal mit ihr schlafen, vielleicht hat er sich an dem toten Körper vergangen, vielleicht hat er sie geschlagen, auf sie eingeprügelt, vielleicht hat er sie fotografiert und verkauft die Bilder an eine Zeitung, an Sammler, weil er Geld braucht. Perverse Dinge, kaputte Gedanken. Max googelt weiter. Er weiß nicht, was er sonst tun soll, er will nicht schlafen, um keinen Preis, egal wie schwer seine Augen sind, er will nicht untätig in der Nacht verschwinden, er will etwas, das ihn weiterbringt.
Wie lässt man eine Leiche verschwinden, schreibt er.
Zuerst sind da die Komödien, eine nach der anderen, Leichen in Filmen, in Theaterstücken, Leichen, die verschwinden und zu den unpassendsten Gelegenheiten wieder auftauchen. Leichen in den Pressemeldungen, verschwundene Leichen, verbuddelte Leichen, nach vielen Jahren wiederaufgetauchte Leichen, verweste Leichen, halb verweste Leichen und versenkte Leichen. Alles gibt es im Netz, alles mitten in der Nacht an seinem Schreibtisch, Fotos von Tauchern, von Kränen, die Körper bergen.
Max liest weiter. Plötzlich spürt er, dass da etwas ist. Er klickt, er liest über versenkte Leichen in Flüssen, in Seen, er findet unzählige Einträge. Max sieht den zugefrorenen See vor seinen Augen, die Eisfischer. Löcher im Eis. Marga. Er hätte sie dort versenken können.
Max tunkt mit dem Brot das Öl aus der Dose, plötzlich ist er sich sicher. Marga ist im See, sie ist dort, es gibt keine andere Möglichkeit. Er spürt es, unten bei den Fischen ist sie, beschwert mit irgendetwas, unauffindbar für immer. Keiner hätte sie jemals gesucht, keiner hätte sie gefunden, niemand ist dort, bis der Sommer kommt, nur die Eisfischer, wie sie ihre Ruten in die Löcher halten. Keinem ist es aufgefallen. Das große Loch neben dem Weg.
Er ist daran vorbeigelaufen, er hat es gesehen, ein ungewöhnlich großes Loch, als er draußen war bei August am Eis, als er den See umrundet hat, nachdem ihn der Saubauer einfach stehen hat lassen. Ein Loch, größer als die anderen, zugefroren, nur eine Schicht dünnes Eis, frisch gefroren. Er hat sich nichts dabei gedacht, nur ein Loch, rund ins Eis gebohrt. Max sieht es vor sich, er googelt weiter. Eisfischer brauchen Löcher mit nur zwanzig Zentimetern Durchmesser, nicht mehr, dieses Loch war aber größer, viel größer, am Rand des Sees, wieder zugefroren, aber noch deutlich sichtbar, frisches Eis. Der Weg war gleich daneben, man konnte mit dem Auto hinfahren. Er hat sie dort begraben. Er hat sie versenkt, ihren Körper ins Wasser geworfen. Was sonst? Es gibt nur diese Möglichkeit, keine sonst, nur noch August, wie er ein Loch in den See bohrt und sie hineinstopft, bis sie verschwindet. Wie er sie mit Steinen beschwert, wie er sie nimmt und nach unten drückt, bis sie verschwindet für immer. August hat seine Frau im See versenkt und Dennis einfach auf die Bank gesetzt.
Scheißkerl, schreibt er in das Eingabefeld. Und Enter.
Warum nicht? Warum soll es nicht so gewesen sein? Er nimmt das Telefon und wählt. Baroni, das Freizeichen. Es ist nach zwei Uhr morgens. Kurz bevor er auflegen will, hört er Baronis müde Stimme.
– Was willst du?
– Du musst kommen.
– Du weißt bestimmt, wie spät es ist.
– Weiß ich.
– Und?
– Du musst sofort kommen.
– Gute Nacht, Max.
– Ich weiß, wo sie ist.
– Emma?
– Nein, Marga.
– Die Leiche?
– Was sonst, Baroni?
– Wo?
– Du kommst?
– Wo, Max? Sonst lege ich auf.
– Im See.
– Was?
– Ich habe es gegoogelt.
– Du hast es gegoogelt?
– Ja. Viele Leichen landen im Wasser.
– Du bist ein Idiot. Gute Nacht.
– Nicht auflegen, nicht, hör mir zu, bitte, Baroni.
– Was denn noch?
– Er hat sie im See versenkt, ich bin mir sicher, einen besseren Ort gibt es hier nicht. Er hat sie irgendwie nach unten gebracht, niemand sucht sie dort, niemand taucht in diesem See. Baroni, sie ist da unten.
– Max?
– Was?
– Warum sollte er sie versenken?
– Weil er sie loswerden will.
– Warum gräbt er sie
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