Die schoenen Hyaenen
Sam. Was sollte sie nun tun? Schweiß lief ihr am Nacken entlang. Die Narben an ihren Brüsten juckten, ihre Achselhöhlen wurden feucht. Wahrscheinlich würde die Maske erneuert werden müssen. Doch es blieb ihr keine Wahl.
Plötzlich hatte Jahne eine Eingebung. Sie durfte das nicht so sprechen, daß es anrührte, sondern ärgerlich. Nicht traurig und verletzt, weil man sie nie geliebt hatte, sondern wütend darüber. Ja, das war die Lösung. Die bessere sogar. Jahne ging das Ganze in Gedanken durch. Sie teilte Sam mit, daß sie bereit sei.
Jahne fuhr auf die Schnellstraße. Ich hab's geschafft, dachte sie. Ich habe meinen ersten Filmtest hinter mir und habe Sam imponiert.
Es hatte sich ausgezahlt, daß sie die Klage, nie geliebt worden zu sein, in eine wütende Feststellung umwandelte. Sie hatte sich in leidenschaftlichen Zorn über vergeudete Gefühle und eine unfaire Behandlung gesteigert. Als sie bei den letzten Worten schluchzte, waren es Tränen des Zorns gewesen.
Die Crew applaudierte. Das geschah selten. Und da Jahne Sam kannte, wußte sie auch, daß er nun definitiv an einer Zusammenarbeit mit ihr interessiert war.
Die Warterei auf den Rückruf vom Studio würde noch schwierig werden. Früher einmal hätte sie sich jetzt eine ordentliche Mahlzeit gegönnt, oder, noch frevelhafter, ein schönes Stück Torte und ihr Lieblingseis. Doch sie konnte sich kein Gramm Gewichtszunahme leisten.
Sie wählte einen anderen Ausweg. Sie fuhr in eine Tiefgarage unter einem Einkaufszentrum in der Stadtmitte. Mit dem Fahrstuhl gelangte sie in die erste Etage. Sie erregte Aufmerksamkeit. Die Leute flüsterten. Leider hatte sie ihre Sonnenbrille vergessen. Als sie die Auslagen in einem Geschäft betrachtete, rannte ein junges Mädchen mit ihrer Mutter auf sie zu. »Würden Sie mir ein Autogramm geben? Sie sind doch Jahne Moore.« Sie streckte Jahne ein zerkrumpeltes Papiertaschentuch und einen Kuli entgegen und Jahne unterschrieb schnell. Sie beschloß, sofort in das Geschäft zu gehen. Denn schon kam noch eine Frau auf sie zu. »Bitte mir auch, Miss Moore.« Jahne brauchte einen Moment, bis ihr klar wurde, daß sich ein Menschenknäuel gebildet hatte. Von überallher riefen sie »mir auch!« Einer schrie: »Jahne Moore!« ein anderer: »Cara!«
Die Menge schob, drängte. Plötzlich schrie jemand.
Jahne geriet in Panik. Über die Köpfe der Menge bemerkte Jahne einen großen dunkelgekleideten Sicherheitsbeamten. Er bahnte sich einen Weg durch die Menge. Jahne fühlte Ellenbogen, die sich in ihren Rücken bohrten. Sie bekam kaum noch Luft. Dann zog jemand an ihrem Haar. Wieder Schreie. »Hierher, Miss Moore«, verlangte der Wachmann, als er sie erreichte und gab ihr die Hand. Jahne ließ sich von dem Mann durch die Menge ziehen.
»Miss Moore, bitte, für meine Kleine!« rief eine Frau. Jahne griff hastig nach dem Stück Papier, das ihr entgegengehalten wurde und unterzeichnete es im Gehen. Sie reichte es wahllos in die Menge. Es gab noch mehr Geschrei und Streit. Zwei Frauen gerieten sich in die Haare. Jahne bangte um ihre Sicherheit.
Der Wachmann öffnete eine Tür und brüllte: »Keine Autogramme mehr!«
»Fühlst du dich zu fein für uns?« geiferte eine ältere Frau. »Verfluchtes Weib! Uns verdankst du doch alles.« Es gelang dem Wachmann, Jahne hinter die Tür zu ziehen, die er sofort verschloß. Von dort brachte er sie zum Hinterausgang des Geschäfts. Jahne war einer Ohnmacht nahe. Sie hörte, wie der Mann über Funk die Polizei herbeirief.
In einem kleinen Büro sank Jahne auf ein Sofa. »Trinken Sie«, sagte eine Frau und reichte ihr einen Becher Wasser.
Jahne gehorchte. Besser fühlte sie sich nicht danach. »Was ist denn passiert?« fragte sie benommen.
»Sie sind passiert.«
»Ich hatte ja keine Ahnung. So was habe ich noch nie erlebt.«
Zwei Polizisten kamen mit schnellen Schritten auf Jahne zu. »Folgen Sie uns, Miss Moore«, befahl der eine. »Wir nehmen den Lieferanteneingang und fahren Sie zu Ihrem Wagen. Dann folgen wir Ihnen bis zu Ihrem Haus.«
»Danke. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie...«
»Sie brauchen uns nicht zu danken. Aber machen Sie so was nie wieder! Bringen Sie Ihre eigenen Sicherheitsleute mit wie alle anderen auch.«
Das Studio empfahl Jahne den Sicherheitsexperten Gerald La Brecque. Sie bestellte ihn zu sich ins Haus. Er erschien pünktlich. Ein gutaussehender Mann mit fast farblosen Augen, einem weichen, gepflegten Schnurrbart, der nicht zu dem durchtrainierten,
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