Die schoenen Hyaenen
hatte Jahne geliebt. Doch seine Liebe war ihr wie eine Verurteilung erschienen, nicht wie ein Kompliment. Ihn zu erhören hätte sie wie ein Eingeständnis ihres Versagens empfunden.
Energisch rief Jahne sich in Erinnerung, daß Mary Jane, die unansehnliche fette Frau, gestorben war. Ihre Stelle wurde von Jahne Moore, eine graziösen Frau mit einem erfolgreichen, gutaussehenden Liebhaber eingenommen, der sie auf Händen trug. Sie gehörte jetzt zu den Siegern. Die Vergangenheit war tot. Doch das alles wirkte schal. Lag es an Mais Tod?
Zweifellos erlebte sie eine Art Nervenzusammenbruch. Doch den konnte sie sich nicht leisten. Zweihundert Menschen hingen von ihren Stimmungen, ihrem Aussehen und ihrer guten Nachtruhe ab.
Jeden Abend, wenn Sam sie liebte, weinte sie. Anfangs war er tief gerührt gewesen. Auch ihm standen Tränen in den Augen. Doch nun war eine Woche vergangen, und die Tränen hörten nicht auf. Die Liebe, das einzige, was Jahne trösten und entspannen konnte, wurde zu einem Tal der Tränen.
Michael machte jede Filmaufnahme zum Alptraum. Jahne ertrug es kaum, ihn anzusehen und die Liebende zu spielen. Sie verachtete ihn. Jahne kannte keinen Mann, der so kleinlich auf eine Abfuhr reagierte wie er. Seine Gemeinheiten sprengten jeden Rahmen. Denn immerhin hatte er ja Jahne betrogen, nicht umgekehrt. Warum überraschte ihn dann ihre Ohrfeige?
Was auch der Grund sein mochte, er haßte Jahne. Mit Tricks sorgte er dafür, daß sie ihren Text verpatzte oder ihren Einsatz. Er brachte sie durch plötzliche Bewegungen aus dem Rhythmus. Da Jahne nach Mais Tod besonders verwundbar war, trafen sie diese Gehässigkeiten hart. An diesem Vormittag hatte er Jahne »Quellkopf« genannt — wegen ihres verschwollenen Gesichts.
Doch das Beängstigendste von allem waren Jahnes Gefühle für Sam. Denn wenn er sie liebevoll, zärtlich, bewundernd ansah, wurde sie eifersüchtig. Dann schossen ihr die Tränen in die Augen. Verrückt! Sie war eifersüchtig auf Sams Gefühle für sie, Jahne, weil sie für Sam noch immer Mary Jane sein wollte. Sams Liebe sollte Mary Jane gelten, nicht Jahne.
Die widersprüchlichen, ja, absurden Gefühle verunsicherten Jahne. Jerry, der darauf wartete, daß sie ihren Brief beendete, damit er sie schminken konnte, wurde unruhig. Jahne legte den Füller aus der Hand und griff wieder nach einem Schokoriegel. Sie war ganz wild auf Süßigkeiten. Fast vier Jahre lang hatte sie auf Desserts und Zuckerzeug verzichtet. Nun konnte sie die Gier danach nicht mehr unterdrücken. Jeder Bissen tröstete sie, bis sie merkte, daß die Kostüme, die ihr Mai gemacht hatte, nicht mehr paßten. Sie nahm mindestens fünf Pfund zu und die Kameras zeigten jeden Fettansatz gnadenlos. Die Kostümabteilung geriet in Not.
Jahne aß den letzten Bissen des Schokoriegels und leckte sich die geschmolzene Schokolade von den Fingern. Dann schrieb sie weiter.
Ich gerate oft in Versuchung, Sam alles zu sagen. Doch ich weiß nicht, ob es irgend etwas verbessern oder alles nur verschlechtern würde. Ich möchte im Grunde nicht, daß sich etwas an Sams augenblicklichem Verhalten ändert, sondern an dem in der Vergangenheit. Ich wünschte mir, daß er mich damals so geliebt hätte wie jetzt. Ein Jammer, daß Sie mich nicht auch in meinem Innern operieren konnten, wie Sie es so unnachahmlich mit meinem Äußeren getan haben.
Quatsch! Jahne zerknüllte den Brief und warf ihn in den Papierkorb, zusammen mit dem Umschlag von Dr. Moores letztem Schreiben.
Es klopfte. »Kommen Sie, Miss Moore?« rief Joel Grossman.
»Ich bin bereit«, erwiderte sie grimmig.
Minos Paige stand vor dem Wohnwagen. Er trug einen dunkelblauen Overall mit einem Schild an der linken Brusttasche: »Film-Reinigungsteam«. Minos wartete, bis Jahne Moore den Wohnwagen verlassen hatte und betrat dann, zusammen mit dem Aufseher, seine Arbeitsstätte.
Minos saugte sorgfältig. Er wischte Staub, machte Ordnung. Der Aufseher saß in einer Ecke und ließ ihn nicht aus den Augen. Minos entleerte den Papierkorb in seinen großen Müllbeutel und verließ anschließend den Wohnwagen.
Später in seinem Auto hatte er Zeit, die zerknüllten Papiertaschentücher, Schokoladenpapier und die anderen unangenehmen Überbleibsel durchzusuchen — und dabei stieß er auf Gold! Er fand den Umschlag mit der New Yorker Anschrift von Dr. Brewster Moore!
48.
Schon nach dem ersten Klingeln hielt Lila den Telefonhörer in der Hand. Bei der neuen Folge für Three for the Road hatte sie
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