Die schoenen Hyaenen
Dreharbeiten von Birth of a Star drückte nicht einmal Erleichterung darüber aus, daß es nun geschafft war. Michaels Launen, Mais Tod und Aprils Zorn ließen keine Hochstimmung aufkommen. Jahne hatte die üblichen Abschiedsgeschenke für alle besorgt. Das erwartete man von einem Star. Sam hielt eine kleine Ansprache. Doch Michael ließ sich nur kurz sehen, und April Irons, Seymore LeVine und die Herren in den grauen Anzügen erschienen überhaupt nicht. Die Party endete früh.
Bevor es ans Ausfeilen und Überarbeiten des Filmmaterials ging, wollte Sam einige Tage freinehmen und die Küste hinunterfahren. Jahne brauchte erst am Ende der Woche wieder bei den Aufnahmen für Three for the Road zu erscheinen. So konnten Sam und Jahne Kurzferien machen. Sie luden das Gepäck in den Wagen.
Richtig entspannt und frei fühlte Jahne sich allerdings nicht. Es verging kein Tag, ja, kaum eine Stunde, in der sie nicht meinte, Sam reinen Wein einschenken zu müssen. Doch natürlich hatte sie den richtigen Zeitpunkt dafür längst verpaßt. Sie hatte schon zu viele Lügen erzählt. Doch tief in ihrem Innern hatte sie wohl immer noch gehofft, er werde sie eines Tages erkennen.
Jahne brauchte indessen fast nie über sich zu sprechen. Das besorgte Sam um so lieber. Er redete über seine Gedanken, Pläne, über Filme und Theater, über Bücher und vieles andere. Jahne hörte gern zu, auch wenn sie begriff, daß Sams Gespräche etwas Narzisstisches an sich hatten. Mitunter merkte sie, daß er ihre Intelligenz vorwiegend schätzte, weil sie ihm als Medium diente, das er mit seinem Ich füllen konnte.
Die Fahrt an der Küste entlang bei warmem, sonnigem Wetter ließ keine trübe Stimmung aufkommen. Doch Jahne dachte oft an Mai. Einmal entfuhr ihr versehentlich ein Seufzer.
»Was hast du denn?« wollte Sam sofort wissen.
»Ich dachte nur an L.A. Dort bin ich in ein Haus gezogen, das sicherer ist. Doch ich mag es nicht. Es ist mir zu groß, zu kalt, zu unpersönlich. An sich hatte ich gehofft, Mai würde mit mir in dem neuen Haus wohnen.«
»Ich werde dir helfen, es warm zu wohnen«, bot Sam an. »Du wirst mein erster Gast sein, Sam.«
Er nahm ihre Hand und legte sie sich innig an die Wange.
Mai hatte Jahne verlassen. Es gab nur noch Sam, den sie lieben konnte. Und in diesem Augenblick liebte Jahne ihn so sehr, daß es schmerzte.
51.
Warum beschäftige ich mich nicht mit Astrologie, dachte April bitter, während sie sich dem farblosen Ziegelgebäude in West L.A. näherten, in dem der Verlust von vierzig Millionen Dollar besiegelt werden sollte. Dann hätte sie wenigstens die Zukunft voraussagen können. Doch hier galt es, ein Bild des Schreckens zu zeichnen, kein Horoskop.
Bisher hatte April mit ihren Produktionen stets ein geschicktes Händchen gehabt. Gerade mit Neuverfilmungen kannte sie sich aus. Ebenso mit Spitzenstars. Nur mit einem Verlust von vierzig Millionen hatte sie keine Erfahrung. Für April hieß eine solche Niederlage, daß sie künftig zur Zielscheibe all jener werden würde, die ständig darauf herumhackten, daß sie nichts von der Marktlage verstand und als Frau höchstens für kleinere Aufträge taugte. Alle würden sich damit brüsten, das Desaster prophezeit zu haben.
April ließ sich in die zweite Etage bringen, wo das Gemetzel stattfinden sollte.
Was April erwartete, glich der Konfrontation zwischen den »Crips« und den »Bloods«, den schlimmsten Jugendbanden von Los Angeles. Keiner dieser Dummköpfe im Besprechungszimmer wußte eine Antwort, alle hatten Angst. Darum zogen sie sich auf eine Verteidigungslinie zurück. April seufzte.
Rauchschwaden zogen durch den Raum, der Kaffee in den Pappbechern wurde kalt. Alle schrien durcheinander, angeführt von Michael McLain.
Er attackierte April sofort mit unflätigen Anschuldigungen. Doch sie hörte daraus nur die nackte Angst. Darum wollte sie sich seine Verzweiflung zunutze machen.
»Hallo, meine Herren.« Sie nahm Platz. Seymore LeVine war den Tränen nahe. Sam senkte den Blick. Er schämte sich nicht wegen des hoffnungslos verdorbenen Films, sondern wegen seiner sexuellen Eskapaden. April kannte sich mit Schamgefühlen bei Männern aus. Als ob ein paar Samenergüsse hier oder da eine Rolle spielen, verglichen mit einem Vierzig-Millionen-Dollar-Berg von Scheiße, dachte sie böse.
»Wie steht es?« fragte sie.
»Wir sind am Ende«, erklärte Seymore tonlos.
»Wir sprachen gerade darüber, daß der geniale Regisseur einige hunderttausend Meter Film
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