Die schoenen Hyaenen
sie ihres Wachstums, ihres Geschlechtslebens und ihres Geldes beraubt. Von Ken weiß ich, daß Simone neuerdings einen Anwalt konsultiert. Der hat auch schon eine Klage gegen die Eltern eingereicht. Doch wie der Fall auch ausgehen mag, Simone wird immer die Verliererin bleiben.«
»Ich kann mir denken, wie ihr zumute ist«, flüsterte Lila.
»Ts, Ts. Meinst du wirklich, Miss Selbstmitleid? Sieh dich im Spiegel an. Nein, ich meine nicht deine verquollenen Augen und deine Blässe. Das verschwindet in zwei Stunden wieder. Sieh dich richtig an. Was siehst du da? Keine schwarze Zwergin, oder?«
Lila betrachtete sich. »Ich weiß, daß ich schön bin, Tante Robbie, und daß die Männer hinter mir her sind. Aber ich möchte nichts mit ihnen zu tun haben.«
»Magst du Mädchen?« fragte Robbie mitfühlend.
Lila schauderte. »Nein, ich hasse Frauen.«
Robbie wiegte bedenklich den Kopf. »Bleibt nicht viel übrig, wie? Falls es dir ein Trost ist: Du stammst aus einer Familie mit einer langen Tradition von Geschlechtsproblemen. Dein Vater war der einzige Mann, den ich wirklich geliebt habe — womit ich Ken nicht kränken will. Aber dein Vater wußte selbst nicht, was er wollte. Der hat sich durch ganz Hollywood geschlafen. Weiblich oder männlich. Theresa war diejenige, die in der Familie die Hosen anhatte. Du könntest von ihr lernen. So ausgebufft wie sie ist, hat sie eine gute Entscheidung getroffen: Sie hat erkannt, daß ihr Mann sie immer unglücklich machen würde. Die Konsequenz, die sie daraus für dich zog, gefällt mir nicht, doch sie hat ihr geholfen, bei Verstand zu bleiben. Weil sie merkte, daß ihr Liebesleben sie nicht ausfüllen würde, beschloß sie, ihre Karriere zu ihrem Liebeslebenersatz zu machen. Dieses Ziel verlor sie nicht mehr aus den Augen. Wie ist das mit dir, Lila? Was erwartest du dir eigentlich von deinem Leben?«
Lila schwieg lange, bevor sie erwiderte: »Ich will von allen geliebt werden, aber nur aus der Entfernung.«
10.
Zwölf Kilometer hinter Fort Dram, Texas, blieb Sharleen am Straßenrand der Interstate 10 stehen. Die Sonne brannte erbarmungslos auf sie herunter, die Hitze des Asphalts drang durch die dünnen Sohlen ihrer Sandalen. Auch Dean hatte jeden Zoll dieser zwölf Kilometer gespürt. Denn er schleppte obendrein ihr gemeinsames Gepäck.
Als sie beim letztenmal von einem Lastwagenfahrer mitgenommen worden waren, hatte Sharleen schon nach wenigen Meilen das Gefühl gehabt, der Mann werde zudringlich werden. Sharleen hatte Dean einen Wink gegeben, und sie waren schleunigst ausgestiegen. Das hätte auch Momma ihnen geraten, wenn sie dagewesen wäre. Obwohl Momma nun schon jahrelang nicht mehr bei ihnen war, richtete Sharleen sich stets nach dem, was Momma gutgeheißen hätte. Unter keinen Umständen wollte sie ihrer Momma Schande machen. Sharleen glaubte kein Wort von dem, was Daddy über seine Frau gesagt hatte.
Sharleen betete lautlos: Lieber Gott, ich danke dir, daß du uns heil aus Lamson und Fort Dram geführt hast und daß wir beizeiten aus diesem Laster ausgestiegen sind, obwohl meine Füße jetzt so wehtun.
Sie fürchtete, daß sie und Dean in die Hölle kamen, wegen dem, was sie Daddy angetan hatten. Doch sie hoffte auch auf Verständnis beim lieben Gott. Es wird nie wieder passieren, versprach sie ihm.
Mitunter, wie auch jetzt, fühlte Sharleen sich so erschöpft, daß sie glaubte, keinen Schritt mehr machen zu können. Doch das mußte sie. Sie mußten Texas verlassen, vielleicht sogar das Land. Wenn sie von einem Sheriff aufgegriffen wurden, kamen sie und Dean in Teufels Küche.
Sie hatten den Körper des Vaters zu Boyds Cabrio getragen, auch den Baseballschläger. Sharleen hatte noch ein Gebet gesprochen und Gott gebeten, sich der beiden Seelen anzunehmen. Sie glaubte allerdings nicht, daß Gott sich ihres Daddys erbarmen würde. Sharleen konnte Daddy jedenfalls nicht verzeihen. Mit Mommas Bibel und einigen Kleidungsstücken und den wenigen Scheinen, die sie aus ihrem Versteck unter der Spüle hervorgeholt hatten, verließen sie Lamson noch in der gleichen Nacht. Einmal wurden sie bei Fort Dram mitgenommen. Danach schliefen sie den Tag über in einem Park in der Nähe des Postamtes. Das nächste mal lief es nicht so gut, das war der Lastwagenfahrer, dem sie nicht traute. Sharleen wußte, daß sie einen Plan machen mußte. Sie mußte sich überlegen, wie es weitergehen sollte. Doch ihr fiel nichts ein, und so dachte sie bei jedem Schritt nur: »Vater vergib
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