Die schoenen Hyaenen
nicht erbrechen zu müssen.
Vom anderen Ende des Bungalows, den Tante Robbie im Benedict Canyon gebaut hatte, näherte sich ein leises Surren. Lila kannte das Geräusch. Plötzlich verstummte es. Lila hörte, wie Tante Robbie den Türgriff hinunterdrückte und die Tür aufstieß. Es mußte Robbie sein, denn José, Tante Robbies Hausbursche, stellte das Frühstückstablett normalerweise vor der Tür ab.
»>Suffering was the only thing made me feel I was alive<«, sang Robbie mit tiefer Stimme. Nur die Schmerzen sagten mir, daß ich noch lebe. Robbie hielt ein chinesisches, rotgelacktes Frühstückstablett in Brusthöhe und stellte es auf einem niedrigen Tisch aus gehämmertem Messing ab. Er rollte zum Fenster und zog die Gardinen zurück, so daß das Zimmer von Sonne überflutet wurde. Wieder sang er die Zeile aus Carly Simons Song: »Suffering was the only thing made me feel I was alive.«
»Hör auf, geh!« wimmerte Lila.
»Komm schon, Schwester Miseria. Novena ist um. Neun Tage wegen eines Mannes jammern und wehklagen, das reicht. Mehr billigt Gott dir nicht zu.« Überraschend behende setzte Robbie sich auf den Kamelsattel. Sein großblumiger Seidenkaftan legte sich in üppigen Falten um seine Beine und verhüllte die Rollschuhe an seinen Füßen. Auf die Frage, warum er sich mit Vorliebe auf Rollschuhen fortbewegte, hatte er Lila einmal geantwortet: »Das verschafft mir ein Gefühl der Schwerelosigkeit.« Robbie schmunzelte jetzt. »Also erheb dich. José hat das Frühstück auf meinen Wunsch hin speziell für dich zusammengestellt.« Er schenkte den starken schwarzen Kaffee aus einem kleinen antiken Samowar — angeblich das Geschenk seines ersten Freundes — in eine hauchdünne Porzellantasse.
Da Lila sich nicht rührte, schlug er mit einem Klöppel auf einen Tempelgong aus Messing. Lila zuckte zusammen. »Nun hör mir mal zu, liebe Freundin. Du bewegst deinen Hintern jetzt sofort und kommst hierher.« Er wies auf die gefüllte Kaffeetasse.
Ihr Kopf schmerzte nach dem hallenden Gong noch mehr. »Wie kannst du mir das antun, Tante Robbie? Bitte!« flehte Lila.
»Hör mit der Winselei auf. Es wird für uns beide Zeit, daß wir uns ein bißchen unterhalten.« Er klopfte auf ein Kissen auf dem Boden neben ihm. »Setz dich neben deine alte, aber so umwerfend attraktive Tante.«
Lila erhob sich seufzend. Der Weg bis zu dem Kissen fiel ihr schwer. Sie sank darauf, legte aber gleich die Hände vor das Gesicht und weinte. »Robbie, ich halte das einfach nicht länger aus.«
Robbie ließ sie weinen, bis sie von sich aus die Tränen mit dem Ärmel des Frisiermantels abwischte, den er ihr am Tag ihrer Ankunft bei ihm gegeben hatte. Sie trank einige Schlucke Kaffee. »Was soll ich nur tun?« fragte sie zum tausendsten Mal in diesen neun Tagen.
»Es kommt darauf an, was du willst«, erwiderte er. Tante Robbie berührte Lilas Kinn mit einem kurzen Würstchenfinger. An diesem Tag hatte er seine Fingernägel blutrot lackiert. Lila wußte, daß Robbie sie mochte, obwohl sie vor seiner Berührung zurückschrak, wie übrigens vor der Berührung jedes Menschen. Doch an seiner sanften Stimme und seiner zarten Geste merkte sie, daß er sich um sie sorgte.
»Mein liebes Kind, ich weiß, wie hart dich das getroffen hat und wie sehr es dich aufwühlt. Aber du brauchst deswegen nicht zu zerfließen. Es ist mir völlig ernst: Neun Tage sind genug.« Robbie stand auf und rollte zum Fenster. »Du hast das Zimmer noch kein einziges Mal verlassen, seit du hergekommen bist.«
»Ich hasse sie«, stieß Lila hervor.
Robbie drehte sich zu ihr um.
»Sie hat diese Heirat eingefädelt. Meine eigene Mutter! Sie sagte, er würde mir nie zu nahe treten. Aber sie hat nicht gesagt, warum. Bevor ich da reinging und die beiden sah, wußte ich nicht, daß er...« Lila sprach nicht weiter. Sie wollte Tante Robbie nicht kränken, obwohl sie wußte, daß sie ihm gegenüber kein Blatt vor den Mund nehmen mußte. »Du weißt schon. Es war nicht nur ekelhaft, sondern auch verlogen. Er hatte doch gesagt, daß er mich liebt.«
»Vielleicht tut er das sogar. Es gibt verschiedene Arten von Liebe.« Robbie stand jetzt vor dem hohen Spiegel und zupfte sein rotgefärbtes Haar zurecht. »Wenn ich mich jedes Mal ins Bett verkriechen würde, wenn einer meiner Freunde in Nachbars Garten nascht, befände ich mich als unheilbarer Fall in der Psychiatrie.« Er drehte sich auf seinen Rollschuhen um die eigene Achse und betrachtete sich dann wieder im Spiegel.
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