Die schoenen Hyaenen
ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.«
Sharleen hörte das Auto, lang bevor sie es sah. Der Motor klang stark. Sie drehte sich um, sah zunächst nur das Flimmern über dem glühenden Asphalt. Das Auto näherte sich. Silberfarben, getönte Scheiben. Es fuhr nicht so schnell wie alle anderen.
Wortlos stellten Dean und Sharleen sich in Position. Dean am Straßenrand, den Daumen erhoben, die andere Hand lässig in den Gürtel verhakt. Sharleen nahm ihren Platz auf dem Koffer ein, teilweise von Dean verdeckt. Sie beugte sich nach vorn und blickte zu Boden. Das verbarg ihren aufreizenden Körper.
Die Fenster des Pontiac waren geschlossen. Als der Wagen hielt, galt Sharleens erster Blick dem Fahrer. Es war ein alter Mann, fünfzig oder älter. Günstig also! Außerdem hatte er einen Hund dabei. Sharleen glaubte, daß Mädchenschänder keine Hunde bei sich hätten. Sie rannten beide zu dem Fenster auf der Beifahrerseite, das der Fahrer hinunterließ. »Wohin wollt ihr?« fragte er.
»Montana«, sagte Dean.
»Kalifornien«, sagte Sharleen gleichzeitig.
Der Fahrer lachte. »Ein bißchen durcheinander, wie?«
»Wir wissen schon, wohin wir wollen«, stellte Sharleen klar. »Erst nach Kalifornien, dann später nach Montana. Wohin fahren Sie denn?« Dean streichelte den Hund, einen großen schwarzen Labrador. Sharleen hatte das Gefühl, daß sie sich getrost diesem Fahrer anvertrauen konnten.
»Steigt ein.« Sharleen warf Dean einen Blick zu. Sie öffnete die hintere Tür und stieg ein. Dean setzte das Gepäck auf den Platz neben Sharleen und stieg neben dem Fahrer und seinem Hund ein. So hatte es Sharleen mit Dean ausgemacht, für den Fall, daß sie von einem Personenwagen mitgenommen wurden.
Kaum daß die Türen geschlossen waren, wurde es angenehm kühl. Sharleen bemerkte eine Reisetasche des Fremden auf dem Fußboden und einen zerbeulten Zwanzigliterkanister. Offenbar fuhr der Mann mit viel Gepäck und hatte das nicht mehr im Kofferraum untergebracht. Sie lehnte sich an die Kopfstütze und atmete tief durch. Die kühle Brise aus der Klimaanlage trocknete den Schweiß auf ihrer Stirn und ihr feuchtes Shirt. Ihre Brustwarzen wurden hart. Dean drehte sich zu ihr um und schmunzelte.
»Wie heißt ihr?« fragte der Fahrer, nachdem sie wieder fuhren.
»Ich bin Sharleen, und das hier ist mein Bruder Dean. Und Sie?«
»Dobe Samuels. Meinen Hund habe ich Oprah genannt, nach dieser Frau im Fernsehen, weil er dick, schwarz und schlau ist.«
Es wurde nicht viel gesprochen. Dean streichelte Oprah, Sharleen genoß den Komfort. Sie dankte Gott für das Glück, das er ihnen beschert hatte. Dobe machte einen gepflegten Eindruck. Sein Haar war frisch geschnitten, und er trug ein sauberes, gebügeltes Hemd.
Einmal fuhr ein Wagen dicht hinter ihnen auf. Sharleen bekam einen gewaltigen Schrecken. Immerhin waren sie und Dean auf der Flucht. Doch das Fahrzeug setzte kurz darauf zum Überholen an.
Inzwischen lag eine beträchtliche Entfernung zwischen ihnen und Lamson. Wer in den silberfarbenen Wagen sah, mußte sie für eine Familie auf Urlaubsreise halten. Für die Polizei waren sie jedenfalls nicht mehr auffällig.
Plötzlich brach Dobe das Schweigen. »Ich muß bei der nächsten Tankstelle halten.« Kurz darauf bog er von der Straße ab und hielt vor einer einsamen Tankstelle.
Sharleen wurde nervös. Erwartete Dobe, daß sie sich an den Benzinkosten beteiligten? Sie und Dean besaßen ganze sechzig Dollar. Damit konnten sie kein Benzin bezahlen und sich nur gelegentlich etwas zu essen kaufen.
Dobe öffnete die Tür hinter sich und nahm den Kanister heraus, der neben Sharleen gestanden hatte. Er ließ die Tür offen und befahl Oprah, im Auto zu bleiben. Unter dem Vordach der Tankstelle lümmelte ein junger Bursche, die Beine auf einen Teerkanister gelegt, den Holzstuhl an die Wand hinter sich gekippt.
»Darf ich Sie um etwas Wasser bitten?« Dobe hielt seinen leeren Kanister hoch, so daß der Mann ihn sehen konnte. »Kein Benzin?« fragte der Junge.
»Das brauche ich nicht. Nur Wasser.« Dobe lächelte breit. »Ich verkaufe aber Sprit.«
»Ich brauche aber keinen, mein Junge.« Er ließ sich von dem dreisten Ton des Jungen nicht aus der Ruhe bringen.
Sharleen stieg aus und schob die Hände in die Gesäßtaschen ihrer Jeans. »Wir wären Ihnen sehr dankbar«, rief sie. Sie wußte genau, wie man mit störrischen Typen aus der Provinz fertig wird.
Der Bursche setzte sich gerade. Er riß die Augen auf bei ihrem Anblick.
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