Die schoenen Hyaenen
Moralvorstellungen und Urteilsfähigkeit ausgelöscht. Galt das nicht aber auch für Jahne? Sie hatte Sam haben wollen und sich deshalb bereit gefunden, einen schlechten Film mit ihm zu drehen. Sie hatte triumphiert, als es ihr gelungen war, ihn in ihr Bett zu holen, wie eine Spinne über ihr mumifiziertes Opfer triumphiert. Hatte sie Sam gekannt? Nein.
Es lohnte sich nur, ein Ziel zu erreichen, wenn es auch lohnend ist. Das hatte ihr einmal jemand gesagt. Offenbar kannte sie den Unterschied zwischen leerer, selbstsüchtiger Eitelkeit und echter Leistung nicht. Sie hatte Sam Wärme gegeben, indem sie sich selbst wie Holz ins Feuer geworfen hatte. Die Flammen hatten Sie jedoch verzehrt, bis nur noch Asche übrigblieb.
Sam hatte Jahne betrogen, April Irons hatte sie manipuliert, Sy Ortis hatte sie ausgenutzt, Monica Flanders hatte sie ausgebeutet. Doch all das mit Jahnes Einverständnis. Sie hatte sich wie eine Ware verkauft. Also konnte sie anderen auch keine Vorwürfe machen.
Gegen Mittag unterbrach Dean Jahnes Grübeleien. Sie aßen eine Kleinigkeit. Meist brachte Dean die Zutaten zu einem Salat aus seinem Gemüsegarten: zarten Blattsalat, kleine Radieschen, Zuckererbsen, Karotten. Jahne bereitete den Salat zu. Dean fügte einmal Thunfisch und ein anderes Mal Nudeln hinzu. Sie aßen auf der Terrasse und tranken dazu Limonade. Dean freute sich, nicht allein essen zu müssen, und Jahne erholte sich in seiner beruhigenden Nähe.
Eines Nachts überfiel Jahne wieder einer ihrer schrecklichen Alpträume. Sharleen kam an ihr Bett und tröstete sie. Jahne zitterte am ganzen Körper. Und plötzlich brach alles aus Jahne heraus. Wie sie sich schon einmal Mai anvertraut hatte, erzählte Jahne nun Sharleen ihre ganze traurige Geschichte. Sharleen litt mit Jahne. Sie wiegte sie wie eine Mutter und hielt sie so lang umschlungen, bis Jahne endlich einschlief.
Danach ging es mit ihr wieder bergauf. Den Vormittag verbrachte sie mit Dean, den Nachmittag allein in ihrem Zimmer. Den Gedanken konnte sie nicht entfliehen. Sie sah die schrecklichen Filmszenen vor Augen, durchlebte noch einmal ihre Beziehung mit Sam.
Sie dachte auch über das Leben nach, das nun noch vor ihr lag. Sie hatte erreicht, was sie sich vorgenommen hatte. Von einer Frau, die bei niemandem einen bleibenden Eindruck hinterließ, war sie zu einem Mädchen geworden, das niemand vergessen konnte. Sie besaß mehr Geld als sie brauchte und weitaus mehr Ruhm.
Doch in den letzten drei Jahren hatte sie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keinen Menschen kennengelernt, den es zu kennen lohnte. Mai lebte nicht mehr. Raoul war nach Südamerika zurückgekehrt, Dr. Moore führte sein Leben in New York. Sie stand völlig allein da. Außer Sharleen und Dean vertraute sie keinem mehr. In wenigen Tagen oder Wochen würde ihr Ruf ruiniert sein. Vielleicht wollten dann nicht einmal mehr Sharleen und Dean etwas mit ihr zu tun haben, wenn sie diesen grässlichen pornographischen Film sahen. Sogar Brewster, der sich durch nichts erschüttern ließ, mußte schockiert sein.
Abends bereiteten Dean und Jahne meist das Abendessen vor und warteten auf Sharleen. Anschließend sahen sie sich ein Video an oder die beiden Frauen unterhielten sich. Ein einfaches Leben, aber warmherzig. Mitunter empfand sie so etwas wie ein Gefühl von Heimat bei den beiden.
Doch eines Tages riet ihr Sharleen, wieder zum Set zurückzukehren. Denn Marty entfernte sich immer mehr von seiner dritten Hauptdarstellerin. Das Drehbuch klammerte Jahne aus, was ja nahelag, da sie nicht zur Verfügung stand. »Du kennst doch Lila. Sie läßt keine Gelegenheit aus, dir oder mir die Schuld zu geben, wenn auch nur das geringste nicht klappt.«
Jahne entschuldigte sich betreten, weil sie Sharleen und Dean so lange zur Last gefallen war.
»Du bist uns nicht zur Last gefallen, Jahne«, widersprach Sharleen energisch. »Du gehörst zur Familie. Warum bleibst du nicht einfach bei uns, statt in dein Haus zu gehen? Wir können doch gemeinsam zur Arbeit fahren.«
Dean stimmte, zu. »Es wäre toll, zwei Schwestern zu haben, auch wenn ich dann mittags nicht mehr mit dir essen kann.«
»Darf ich nur noch eine kleine Weile bei euch bleiben? Ich meine, bis die Premiere von Birth of a Star überstanden ist? Ich möchte gern den Sturm bei euch über mich ergehen lassen.«
»Herzlich gern. Und wer weiß? Vielleicht wird der Film gar nicht so schlimm.« Sharleen lächelte. »Außerdem kann uns beiden ohnehin nichts Schlimmeres mehr
Weitere Kostenlose Bücher