Die schoenen Hyaenen
Freund hatte, wußte sie noch nicht.
Hector, der künstlerische Direktor des Theaters, war schwul, was Jahne als Segen empfand. Er hielt viel von ihr, nicht nur von ihrem Aussehen. Sie hatte die Rolle schon nach dem ersten Vorsprechen bekommen. Hector war gewiß kein Genie auf seinem Gebiet. Doch das ließ sich nicht ändern. Nur vermißte Jahne gerade bei den unzureichenden Regieanweisungen den begnadeten Sam.
Eigentlich vermißte Jahne Sam auch sonst ständig. Sie konnte die Erinnerungen an ihn einfach nicht abschütteln. Oft fragte sie sich, ob Sam sie verlassen hätte, würde sie ausgesehen haben wie jetzt. Genügte Schönheit als Mittel gegen seine Treulosigkeit? Konnte sie ihn jetzt an sich fesseln? Würde er sie überhaupt wiedererkennen?
Ein letzter Blick in den Spiegel. Jahne war zum Ausgehen bereit. Sie war klug genug, um zu wissen, daß sie keine Ahnung hatte, welche Kleidung für sie am vorteilhaftesten war. Darum bevorzugte sie Sportliches. Ihre Garderobe bestand aus drei Paar eng geschnittenen Levis, einigen weißen Blusen, zwei Rollkragenpullovern und einem roten Cashmerepulli. Dazu trug sie Stiefel aus braunem, weichem Leder mit hohen Absätzen. Die Stiefel verliehen ihrem Gang etwas Aufreizendes. Make-up verwendete sie kaum, nur das unbedingt Notwendige.
Erst nachts, wenn sie mit Pete geschlafen hatte und ruhig in seinem Armen lag, begann sie sich zu entspannen. Pete verstand nichts von den Feinheiten des Sex. Er stieß in sie hinein, ohne Rücksicht auf ihre Gefühle oder Bedürfnisse. Doch er machte seine schnörkellose Liebe durch seine Begeisterung wett. Kurz nach dem ersten Orgasmus begann er erneut, und dann gab er ihr viel Zeit. Sie trieb ihn bis zur Erschöpfung und genoß seinen jungen Körper.
Tagsüber hatte sie für solche Dinge keine Zeit und keinen Sinn. Mitunter beobachtete sie die jungen Mädchen, die sich mit den falschen Typen trafen und sich falsche Ziele steckten. Jetzt wußte Jahne vieles besser. Sie war eben sechsunddreißig und durchschaute die Männer. Sie glich einem Wolf im Schafspelz.
6.
Sam sah sich auf seinem vollbepackten Schreibtisch um. Es war dunkel. In L.A. verwandelt sich die Dämmerung schnell in ein tintig-dunstiges Violett. Wahrscheinlich brannte in dem niedrigen Gebäude nur noch in Sams Büro Licht.
Es war ein schmuckloser Raum. Doch Seymore LeVine, einer von Aprils Handlangern, hatte ihm dieses Produktionsbüro, zusammen mit der Sekretärin Rita, für die Dauer der Filmproduktion zugewiesen. Früher nannte man das den Autorenflügel der International Studios. Damals beschäftigten sich Dutzende von Autoren damit, Drehbücher für drei Filme pro Woche zu schreiben. Wer mochte hier alles gesessen haben? Benchley? Agee? War Bill Faulkner auf einen Schluck Whiskey vorbeigekommen?
Sam schüttelte den Kopf. Er hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Obwohl er seinen ersten Film noch nicht einmal bis zur Hälfte abgedreht hatte, machte er sich schon Gedanken, wie es hinterher weiterging. Was er schrieb, reichte April weiter, las es nicht einmal. Regisseure und Produzenten verschwanden meist spurlos aus dem Gebäude, nachdem sie ihre Tätigkeit beendet hatten. Man merkte nur an dem neuen Namensschild, daß ein Büro wieder den Besitzer gewechselt hatte.
Doch Sam wollte nicht weiterziehen. Vor zwei Jahren hatte er damit begonnen, Jack and Jill umzuschreiben und damit in Produktion zu gehen. In der Zeit war er mit der Stadt zusammengewachsen. Wohin sollte er auch gehen? Der Gedanke an das kalte, graue New York jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Wie hatten sie sich aufgeplustert mit ihrer kleinen Theatertruppe, mit den kleinen Produktionen, die sie in noch kleineren Theatern aufführten! Würde er sich überhaupt jemals wieder in einem Leben mit so eng gesteckten Grenzen zurechtfinden?
Zwar hatte Sam Shields die Produktion von Jack and Jill voll im Griff, doch mitunter überfiel ihn eine mörderische Angst. Er konnte seine Termine nicht einhalten, hinkte fast eine Woche hinter der Zeit her, und April hatte ihm schon zweimal die Hölle heiß gemacht.
Ihr erster wütender Anruf hatte ihn schockiert. Immerhin waren sie einmal, wenn auch nur für kurze Zeit, zusammen ins Bett gegangen. Doch dann hatte er ein Verhältnis mit Crystal angefangen. Als April ihn nun so wütend anschrie, glaubte er zunächst, sie mache ihm eine Eifersuchtsszene.
»Was nimmst du dir eigentlich heraus?« schrie April bitterböse.
»Tut mir leid, ich wollte dir nicht wehtun, April.
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