Die schoenen Hyaenen
auf ihren Lippen. Vor ihr stand ein kleiner Mann. »Heilige Mutter Gottes! Mr. DiGennaro, ich dachte erst, es sei ein Witz.«
»Darf ich eintreten?« erkundigte er sich lächelnd. Er war ein typischer kleiner Italiener aus New York. Zielstrebig steuerte er einen Stuhl an und nahm unaufgefordert Platz. Jahne wußte nicht, was sie sagen sollte. Das Schweigen dehnte sich aus.
»Mr. DiGennaro, verzeihen Sie, ich bin total durcheinander. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
»Nichts, Jahne, und nennen Sie mich bitte Marty. Ich mußte einfach mit Ihnen sprechen und Ihnen sagen, wie großartig Sie heute abend gespielt haben. An sich wollte ich nicht kommen. Das gebe ich zu. Freunde haben mir Wunderdinge über Sie erzählt. Doch sie sagen oft: du mußt dir das oder den ansehen, es ist toll. Meist bin ich enttäuscht.« Er hatte einen so intensiven Blick, daß Jahne sich davon irritiert fühlte. »Heute abend wurde ich nicht enttäuscht. Sie sind tatsächlich eine so große Begabung, wie man mir gesagt hat.« Er lachte. »Ausnahmsweise bin ich mal mit den Theaterkritikern einer Meinung. Es war mir eine Ehre, Zeuge Ihres Talents zu werden. «
Er erhob sich. Jahne fand ihre Stimme wieder. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, außer daß ich Ihnen natürlich danke. Sie werden wissen, wieviel mir ein Lob aus Ihrem Mund bedeutet.« Sie lachte und fragte gespielt ernst: »Sie sind doch Marty DiGennaro und nicht nur sein Doppelgänger?«
»Wer würde schon zugeben wollen, daß er wie ich aussieht?« Marty lachte, ging zur Tür und damit fast aus Jahnes Leben. An der Tür zögerte er, griff in seine Tasche und zog eine Visitenkarte heraus. »Rufen Sie mich morgen an. Mein Privatanschluss steht auf der Rückseite. Ich möchte gern mit Ihnen arbeiten.«
Nachdem er gegangen war, stand Jahne noch eine Weile fassungslos im Türrahmen. Dann rief sie ihre Kollegen: »Susan, Beverly, hört mal her!« Sie rannten zu ihr. »Marty DiGennaro möchte mit mir arbeiten!«
Die Abende nach der Vorstellung verbrachte Jahne gewöhnlich allein. Nur ein- oder zweimal die Woche ging sie zu Pete. Die Verabredungen liefen nach einem festen Rhythmus ab. Pete machte eine Kleinigkeit zum Essen, sie tranken ein Bier, sahen sich die Spätnachrichten an und schliefen miteinander. Jahne mochte Petes kräftigen Körper, sein hübsches Gesicht, seine Begeisterungsfähigkeit und sein sanftes Wesen.
Am Abend, nachdem DiGennaro zu ihr in die Garderobe gekommen war, bestand Jahne darauf, Pete zum Essen einzuladen und zu feiern.
Sie gingen in ein einfaches italienisches Restaurant. Jahne bestellte eine Flasche Chianti.
»Was ist denn das?« fragte Pete neugierig.
»Italienischer Wein«, antwortete Jahne und hätte fast geseufzt. Doch insgeheim entschuldigte sie Petes Unwissenheit sofort. Er war eben jung und Kalifornier. »Glaubst du, DiGennaro hat das ernst gemeint?« fragte sie ihn, weil sie plötzlich unsicher wurde.
»Bestimmt.«
»Warum bist du so sicher?«
»Weil du hübsch und schlau bist«, antwortete er einfach.
Das überzeugte sie nicht. Im Gegenteil. Ihre Stimmung schlug um. Außerdem störte es sie, daß er den Wein nicht trank. »Schmeckt er dir nicht?« fragte sie.
»Nicht sehr«, gab er zu.
»Dann bestell dir doch ein Bier, mein Gott! « Unwillkürlich fragte sie sich, wie lang ihre Beziehung noch halten mochte.
Plötzlich sagte er: »Meine Schwester hat das ganz richtig vorhergesehen. Du wirst großen Erfolg haben, und dann läßt du mich fallen.«
Sein Vorwurf traf sie. Denn sie hatte ja gerade das gleiche in Erwägung gezogen. Dabei gehörte sie zu den treuen Menschen, eher zu denen, die man sitzenlässt, nicht andersherum. Plötzlich füllten sich ihre Augen mit Tränen. Pete war gut zu ihr gewesen, doch indem er von seiner Angst sprach, sie zu verlieren, gestand er ihr indirekt, wie tief seine Gefühle gingen. Das hatte er sich bisher nicht anmerken lassen.
»Vielleicht brauchen sie einen Kameramann«, meinte sie. »Wenn ich einen Vertrag bekomme, kann ich mit Marty darüber sprechen.«
»Du bekommst deinen Vertrag«, sagte Pete ahnungsvoll und lächelte traurig.
8.
Paul Grasso saß an seinem Schreibtisch. Sein Terminkalender wies keine Eintragungen auf. Grasso bemühte sich, Ordnung auf seinem Schreibtisch zu schaffen. Doch er war schlecht drauf. Seit Monaten gab es bei ihm nichts Neues, genauer, seit fast einem Jahr nicht mehr. Er hatte nun dreißig Jahre Geschäftserfahrung. Doch was zählten die schon? Man wurde
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