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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Muentefering
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Sekunde hatte ich damit gerechnet, dass Lena an den Apparat gehen könnte. Eine bange Frage stürzte sich auf mich. Hatte Angela es ihr schon gesagt? Wie hatte Lena reagiert? Und was würde sie jetzt dazu sagen, wenn ich mich meldete?
    »Hallo?«, fragte Lena.
    Im Hintergrund hörte ich Angelas Stimme: »Wer ist es denn?«
    »Vielleicht verwählt«, antwortete Lena und legte auf.
    An diesem Abend hätte ich sogar meine Alm dafür hergegeben, mit Angela sprechen zu können.
    Montagmorgen fegte Frauke mit Loulou auf dem Weg zum Hundeplatz durch die Wohnung. Wahrscheinlich wollte sie nur erfahren, ob es noch weitere Neuigkeiten von Nancy gab. Als ich nichts Neues zu berichten hatte und mich zudem als sehr schweigsam entpuppte, gab sie vor zu arbeiten. Sie schichtete die Berge von Papierkram auf ihrem Schreibtisch einmal von rechts nach links, nickte befriedigt und war wieder verschwunden.
    In der neu einsetzenden Stille um mich herum kam mir ihre alltägliche Gestalt in meiner Wohnung wie eine Erscheinung vor.
    Ich war regelrecht froh, als das Telefon schellte und ich mich realen Dingen zuwenden konnte.
    »Schwarz?!«
    »Hier auch, mein Schätzchen. Wie geht’s dir denn so? Ich hab schon so lange nichts mehr von dir gehört.«
    Meine Mutter! Niemand sonst schaffte es, mir im ersten Satz eines Gespräches ein schlechtes Gewissen zu machen.
    »Ich von dir auch nicht, Mama. Es gibt nicht viel Neues, es geht mir gut. Und wie geht es dir?«
    Die zwei Sekunden Schweigen am anderen Ende der Leitung sagten mir bereits, was jetzt kommen würde: »Ach, du weißt ja. Es geht immer so auf und ab. Im Moment geht es mir nicht so gut. Ich hocke hier immer so allein herum. Du bist sicher schwer beschäftigt, wie? Immer mit einem Haufen Leute unterwegs?«
    Ich hatte es längst gelernt, mich an der Einsamkeit meiner Mutter nicht schuldig zu fühlen. Leider hatte meine Mutter das noch nicht gemerkt. Ich zögerte eine Sekunde. Vielleicht tat ich ihr auch Unrecht. Sie war meine Mutter, wie Angela Lenas Mutter war. Es fühlte sich für mich zwar ganz anders an. Aber womöglich hegte sie den gleichen Wunsch, etwas über mein wirkliches Leben zu wissen, wie Angela ihn bei Lena empfand? Ich gab mir einen Ruck.
    »Eigentlich stimmt es nicht ganz, was ich gerade gesagt habe: Es gibt doch etwas Neues. Ich habe mich verliebt.«
    Meine Mutter atmete schwer in den Hörer.
    »Und wer ist es?«, fragte sie vorsichtig. Als ich ihr damals von Ellen erzählen wollte, hatte sie gefragt, ob es ein Mann oder eine Frau sei, und daraufhin hatten wir wochenlang keinen Kontakt, so wütend war ich über ihre Ignoranz. Dass ich lesbisch war, hatte sie zwar akzeptiert, doch hin und wieder schimmerte ihre Hoffnung auf ein Wunder durch und verletzte mich.
    »Sie heißt Angela. Angela Rose. Und sie …« Ich stockte. Plötzlich fiel mir auf, dass ich nicht einmal wusste, was meine Mutter an meinen Freundinnen wohl interessierte.
    »Ja?«
    »Was willst du denn über sie wissen?«, versuchte ich, das Pferd von hinten aufzuzäumen.
    Meine Mutter lachte irritiert. »Was ich wissen will? Na, was sie so macht zum Beispiel. Studiert sie noch?«
    Ups. Das war die falsche Frage. Aber das konnte sie nun wirklich nicht wissen.
    »Sie ist Sekretärin. Und sie ist älter als ich.«
    »War Ellen doch auch.«
    »Nein, ich meine eine ganze Ecke älter. Sie ist vierzig.«
    »Hm«, machte Mama, nicht sicher, ob ich Trost oder Empathie wollte. »Wird schon gut gehen.«
    Auf jeden Fall war dieser Satz nicht das, was ich mir erhofft hatte.
    »Ach, dass das mit Ellen und dir auseinandergegangen ist, das verstehe ich heute noch nicht. Ihr habt so gut zueinander gepasst.«
    Ich verdrehte die Augen.
    »Nein, Mama, haben wir eben nicht. Deswegen haben wir uns ja getrennt.«
    Jetzt schwieg sie auch.
    »Ich hab ja keine Ahnung«, sagte sie dann mit bitterer Stimme. »Du erzählst ja auch nichts.«
    Entsetzt lauschte ich ihren Worten nach. Hatte Angela nicht im ›Yellow‹ auch zu mir gesagt: ›Sie erzählt ja nichts.‹?
    »Mama, tut mir leid, aber ich muss jetzt los«, log ich. »Ich melde mich bald mal bei dir, okay?«
    »Natürlich. Hauptsache, bei der Arbeit stimmt alles«, sagte meine Mutter. »Bis bald.«
    Ich legte leise den Hörer auf die Gabel.
    Meine Mutter war meine Mutter, wie Angela Lenas Mutter war. War das so? Liefen zwischen den beiden ähnliche Muster ab wie jetzt gerade in diesem Telefonat?
    Kurz darauf schellte das Telefon wieder. Ich starrte den Hörer an, ging aber nicht

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