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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Muentefering
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Wohin?«
    »Da vorn. Ich glaube, sie will zur Theke.«
    »Das ist eine gute Gelegenheit!«, machte ich mir selber Mut. Und plötzlich sehnte ich mich nach Jackie, die es wie keine andere verstand, in solchen Situationen Adrenalin zu puschen. Warum war sie nicht da? Es sah so aus, als müsse ich diese Geschichte auf ganz ungewohnte, einsame Art bestehen. »Ich tu es jetzt einfach!«
    Los ging es!
    Frauen sind die sanfteren Menschen. Sie sind hilfsbereit und freundlich. Wo immer Krankheit und Schwäche sich ihren Weg sucht, räumen Frauen alle Steine fort. Leider scheint dieses Vorurteil nicht für die Konfrontation zwischen Lesben und einer Gehbehinderten samt Krücken zu gelten. Ich hatte alle Mühe, mich mit zuerst noch höflichen, jedoch bald gebrüllten »Darf ich mal durch!« Meter für Meter in Richtung Theke zu schieben. Immer wieder sah ich auf und direkt auf den dunklen Hinterkopf.
    Ich brauchte leider etwas zu lange. Die günstige Situation, nebeneinander an der Theke zu stehen, sich, seufzend über den lahmen Service, zuzulächeln und dann überraschend ihr Getränk mitzuzahlen, verging ungenutzt. Ich kam erst an, als SIE gerade das Wechselgeld entgegennahm.
    Als SIE sich mit ihrem Getränk in der Hand umdrehte, stand ich genau hinter ihr. Es war eng hier. Von hinten schoben sich weitere Durstige heran. Sie balancierte ihr Glas über meinem Kopf, sah an mir herunter auf meinen bandagierten Fuß und lächelte mich für einen winzigen Augenblick entschuldigend an. Ah!
    Dann war sie schon an mir vorüber. Sie ging aber nicht zu ihrem ursprünglichen Platz zurück, sondern verharrte am Rande der Tanzfläche, um sich das heutige Angebot anzuschauen. Sie sah freundlich und aufgeschlossen aus, aber sie wirkte viel zu ruhig, als dass etwas dort sie hätte brennend interessieren können.
    Ich humpelte neben sie, stützte mich auf einer meiner Krücken ab, klemmte mir die andere unter die Achsel und fingerte in der Innentasche meines sorgfältig ausgewählten Gehrocks herum. Mein Herz klopfte so laut, dass ich dachte, sie müsse es trotz des Krachs um uns herum hören.
    Ich beugte mich ein wenig zu ihr. Um ihr nicht zu nahe zu treten, behielt ich aber einen korrekten Abstand. Dieses Spielchen zwischen höflicher Distanz und der Ahnung von intimer Nähe hatte ich in vielen Schwofnächten geübt und scheinbar selbst auf der Alm noch nicht verlernt.
    »Hast du Feuer für mich?«, fragte ich sie. Sie wandte sich mir zu und sah mich wieder für einen kurzen Moment an. Und ich hatte das Gefühl, alle meine Sinne seien plötzlich ganz und gar ausschließlich auf sie gerichtet. Meine Ohren verschlossen sich jedem Getöse. Meine Haut richtete die feinen Härchen auf, über die ihre Nähe wie Elektrizität hinwegstrich. Ihr dunkler Blick traf mich genau zwischen meine Augen. Und die konnten plötzlich gar nichts anderes mehr fokussieren als ihr Gesicht. So nah war sie bestimmt noch schöner als von weitem. Ich spürte, wie meine Knie weich wurden.
    Sie stutzte einen Augenblick, griff dann in ihre Hosentasche und zog ein silbernes Feuerzeug hervor. Natürlich erwartete sie jetzt eine Zigarette. Doch stattdessen hielt ich ihr eine Wunderkerze hin. Ihre schwarzen Augen rundeten sich für einen Moment, doch dann wurden sie schmal und klein, als sie mich überrascht anlachte. In dieser Sekunde wusste ich, dass ich gewonnen hatte. Ich hatte es gewusst: Sie mochte spinnerte Individualistinnen!
    Sie entzündete den Feuerstein, ihre Hand zitterte ein wenig dabei. Vielleicht war sie noch nicht oft angesprochen worden. Ich hielt die Wunderkerze in die Flamme, und gemeinsam sahen wir zu, wie der Funkenregen unserer ersten Begegnung einen ganz besonderen Zauber verlieh. Mir wurde direkt ein wenig feierlich zumute.
    Ein paar Frauen, die um uns herumstanden, sahen auch zu, lachten und machten witzige Bemerkungen. Mein Gegenüber registrierte mit leicht nervösem Wohlgefallen die Aufmerksamkeit, die wir erregten, und lächelte immer noch, als die Wunderkerze schließlich erloschen war.
    Ein paar Sekunden war es still.
    Selbstverständlich war es nicht wirklich still. Die Musik dröhnte weiterhin gegen mein Zwerchfell, und sechshundert Frauen quasselten immer noch durcheinander. Doch für mich war dort eine Stille zwischen uns, die auch mich lächeln ließ.
    »Und? Hast du dir etwas gewünscht?«, fragte sie dann. Ich konnte ihr Parfüm riechen, als sie sich zu mir beugte. Das Bild von weißen Blüten tauchte vor meinem geistigen Auge auf. Es

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