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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Muentefering
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Sätze von Ohr zu Ohr, ohne dabei den Anschein von Heimlichkeiten zu wecken oder gar den Verdacht, sie würden über uns reden.
    Frauke beugte sich zu mir und wisperte: »Ich habe ihr gleich gesagt, dass ich dreißig bin, aber das hat sie überhaupt nicht abgeschreckt. Sie ist neunzehn, Michelin! Neunzehn!«
    Ich war schockiert.
    »Was erzählst du hier dein Alter rum? Was ist, wenn sie das gleich weiterplaudert und Lena Schlüsse auf mich zieht? Und das mir! Wo mir doch immer alle sagen, dass ich noch aussehe wie sechsundzwanzig.«
    Frauke staunte nicht schlecht.
    In dem Augenblick drehte Lena sich wieder herum, und Nancy machte ein paar Schritte nach vorn, sodass wir ein richtiges kleines Grüppchen bildeten.
    Ich dachte in diesem Augenblick nicht mehr daran, welche Vorstellungen eines romantischen Zusammenseins ich normalerweise propagierte. Die erste Begegnung am Waldrand, während gerade hinter den Bergen die Sonne untergeht und der Mond heraufzieht. Nein, daran dachte ich nicht in diesen ersten Minuten. Ich war ganz dort, wo ich war, inmitten einer Masse von gestylten Frauen, die einander umarmten, liebkosten, belächelten. Der Rhythmus der Musik gab meinem Herzen den Takt vor, und das war reichlich schnell. Adrenalin strömte durch meine Adern, und ich fühlte, wie ich wieder zu strahlen begann. Wenn dies hier die Welt war, die Lena sich zu eigen machen wollte, die sie fesselte und animierte, dann war auch ich bereit, hier wieder Einzug zu halten. Ich konnte den alten Zauber wieder spüren, konnte Farben auf grauem Beton sehen und knisternde Spannung durch den Raum pulsieren spüren.
    »Nancy und ich gehen meistens zusammen zum Schwof«, erklärte Lena. »Aber neulich war ich mal allein unterwegs. Ich sage euch, das war wie eine vollkommen neue Erfahrung. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, beobachtet zu werden.«
    Frauke erstarrte, und ich lächelte Lena an: »Ja, das Gefühl kenne ich.« Sie brauchte jetzt wahrlich noch nicht zu wissen, dass ihr Gefühl sie nicht getrogen hatte.
    »Wir sind allerbeste Freundinnen!«, erklärte Nancy ungefragt und grinste dann Frauke derart auffordernd an, daß selbst ich ein wenig nervös wurde. Die arme Frauke! Was musste sie jetzt durchstehen? So offensichtlich hochinteressiert beäugt zu werden!
    Nancy war eine von jenen Frauen, die wohl auch in zehn Jahren noch als Girlie durchgehen würden. Sie wirkte so cool und abgeklärt, und ich redete mir ein, dass Lena einen viel reiferen Eindruck machte. Ich war überzeugt, dass die beiden Freundinnen im Grunde recht unterschiedlich seien: Lena war vielleicht ein wenig unruhig, Nancy dagegen war zappelig. Lena flirtete ein wenig, Nancy dagegen provozierte. Was ich an Nancy am sympathischsten fand, war ihre Art, sich kurz zu Lena hinüberzubeugen, ihr etwas ins Ohr zu raunen und sie damit zu einem herzhaften Lachen zu animieren. Ja, das mochte ich an Nancy wirklich sehr.
    So standen wir beieinander und machten uns gewiss – jede für sich – unsere ganz speziellen Gedanken. Wie gern hätte ich die der anderen erraten! Die anfangs etwas schleppende Unterhaltung kam langsam in Gang. Auch wenn es wegen der lauten Musik und den vielen drängelnden Frauen schwierig war, schafften wir es, ein anständiges Gespräch zustande zu bringen. Wir? Nun ja, es war ein faszinierendes Phänomen, aber ich entwickelte das Gefühl, Scheuklappen zu tragen. Meine Welt wurde immer enger, sie zog sich um Lena herum zusammen. Und wenn ich nun ›wir‹ dachte, meinte ich sie und mich. Frauke und Nancy standen neben uns wie Anstandsdamen. Natürlich sagten sie hin und wieder etwas. Natürlich antworteten wir. Doch diese Situation war mehr als ein Small Talk im Grüppchen. In Wahrheit entstand hier, inmitten des Krachs und der Hektik, ein erster und vorsichtiger Dialog zwischen uns, zwischen Lena und mir. Wir bewegten uns vorwärts wie Seiltänzerinnen, balancierten auf einem feinen, steilen Grad aufeinander zu. Vom Stichwort »Technogezappel« kamen wir zum »Musikunterricht« und schließlich zum »Saxophon«. Und da sagte Lena, sie spiele es »ganz gut«. Sie hatte sogar mal für kurze Zeit in einer Band gespielt. Aber die Gründerin und Sängerin der Gruppe fühlte sich zu sehr dominiert von den eindringlichen, klagenden Tönen dieses Blasinstrumentes.
    »Außerdem dachte sie, ich sei auf ihren Typen scharf. Die hat das irgendwie nicht begreifen können, dass ich nicht auf Männer stehe«, sagte Lena und zuckte mit den Achseln. Doch ich sah ihre

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