Die schoenen Muetter anderer Toechter
meine Freundin ihren dumpfen Brütereien, wie sie den eben gebotenen Eindruck nun wieder wettmachen könne.
Es missbehagte mir, dass Lena und Nancy so davongestürmt waren. Vielleicht hatte Pes Erscheinen sie erschreckt. Manche Bekannte laufen nicht unbedingt Werbung für diejenigen, die von ihnen angesprochen werden. Oder aber dieser spontane Aufbruch zum Tanz war ein geheimes Zeichen, mit dessen Hilfe sie sich üblicherweise aus der Umklammerung entflammter Dreißigjähriger befreiten.
Meine Geduld wurde nicht lange auf die Probe gestellt, denn schon als das Lied verklang und das nächste begann, erschienen die beiden erhitzt wieder bei uns.
»Dass sie nicht mal ’ne Weile bei guter Musik bleiben können«, beschwerte sich Lena. »Immer diese ollen Kamellen.«
Ich freute mich, dass sie wie selbstverständlich zu uns zurückgekehrt waren. Und fortan blieb ich wie festgewachsen auf dieser Stelle stehen. Denn jedes Mal, wenn Lena und Nancy zum Tanzen gingen und Frauke mal wieder verneint hatte, um »mich nicht allein hier warten zu lassen«, kamen die beiden anschließend wieder zu uns. Es hätte sich nicht erfreulicher entwickeln können.
Als sich das Spielchen dreimal wiederholt hatte, wurde ich ruhig.
Endlich konnte ich Lena ohne minütlich wachsende Nervosität beim Tanzen zusehen, konnte ihre Bewegungen genießen und ihren Anblick wie einen Strom Honig in mich hineinsaugen. Sie schwenkte beim Tanzen ihre Arme seitwärts wie eine Tempeltänzerin, die Schlangen beschwören will. Kein Wunder, dass ich mich wie hypnotisiert fühlte.
Zwischen den Tanzeinlagen sprengten wir hin und wieder die Gepflogenheiten der Gruppe und unterhielten uns pärchenweise. Ich erfuhr von Lena, welche Lieder sie mochte und welche überhaupt nicht und warum. Das war schon fast eine kleine Wissenschaft für eine Musiklaiin wie mich. Sie erzählte, dass sie vorgehabt hatte, Musik zu studieren. Doch die Zukunftsaussichten einer mittelmäßig begabten Saxophonspielerin hätten sie von dieser Idee abgebracht. Architektur studierte sie jetzt stattdessen, und ich konnte mein Glück kaum fassen. Ich hatte schon immer eine Schwäche für Frauen, die in Ingenieursberufen tätig waren. Und was konnte es Wunderbareres geben als eine Frau, die für andere ein Heim erschuf?
Als Lena berichtete, dass sie die Fernsehserie Ally McBeal liebte, obwohl sie es als manchmal doch enttäuschende Alternative zu Ellen empfand, erwähnte Frauke unseren Beruf. Und das schlug ein wie eine Bombe! Fragen über Fragen. Ich verheimlichte meine grundsätzliche Aversion gegen das Medium Fernsehen, erzählte witzige Anekdoten, und Lena lachte. Frauke lachte auch. Und in einem heimlichen Augenblick beugte sie sich zu mir und meinte, immer noch glucksend: »Alle Achtung, Michelin! Du machst auch aus unserem miesesten Fall eine tolle Geschichte.«
Kurze Zeit später griff die Aufbruchsstimmung um sich. Erst da merkte ich, dass es um uns herum schon recht leer geworden war. Nur vereinzelt standen noch Pärchen oder Grüppchen beieinander, knutschten oder unterhielten sich etwas angeheitert.
Noch nie war eine Schwofnacht so schnell vorübergegangen.
»Tja, dann werden wir mal. Tschüss dann«, sagte Lena und sah mich zögernd an.
Dass sie ein klein wenig schüchtern war, hatte ich inzwischen gemerkt. Zu schüchtern, um nach einer Verabredung zu fragen? Also genauso schüchtern, wie ich mich plötzlich fühlte?!
Ich sah es Frauke an, dass die es nicht fassen konnte, wie ich Lenas endgültigen Aufbruch vollkommen hilflos einfach so geschehen lassen konnte. Nun hatte ich es bereits so weit geschafft und scheiterte an der ersten Hürde zu allem weiteren …
»Ach, Michelin?!«, Lena wandte sich noch einmal um, während Nancy bereits zur Tür hinausstrebte.
»Ja?«
»Du hast nicht vielleicht am Donnerstag Zeit?«
»Donnerstagabend?«, krächzte ich.
»Was hältst du von Kino oder dem ›Sentimental‹? So um acht? Du könntest bei mir vorbeikommen, und wir ziehen dann zusammen los.« Lenas Augen schwammen vor mir, einzig sichtbar und bedeutungsvoll in einem Meer aus Unwichtigkeiten.
»Gut.« Ich räusperte mich. »Machen wir es so. Um acht bei dir.«
Sie winkte noch einmal und wurde von der Tür verschluckt.
In der nächsten Sekunde wurde es taghell im Discoraum. Die Musik verstummte. Hinten begannen zwei Frauen, den Boden zu fegen. Der Zauber war vorüber.
Frauke wedelte sich Luft zu.
»Das war knapp!«, kommentierte sie meine Handlungsunfähigkeit.
»Alles
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