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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Muentefering
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zum Beispiel nie eine definitive Größe gehabt. Jetzt wurde mir sehr bewusst, dass sie ein wenig größer als ich war. Perfekt.
    Der Augenblick, in dem wir uns an der bereits von mir geöffneten Tür gegenüberstanden, ließ mir plötzlich das Blut gerinnen. Sie zögerte. Ich dachte: ›Sie will mich doch jetzt nicht küssen?‹, und da tätschelte Lena kurz meinen Arm: »Wir sprechen uns dann wegen der Renovierung und so, nicht? Tschüss, Michelin.«
    »Tschüss, Lena.«
    Ich sah ihr nach, bis sie auf der Treppe verschwand.
    Als ich wieder ins Wohnzimmer kam, fand ich dort zwei Honigkuchenpferde auf dem Sofa.
    »Grinst nicht so!«, befahl ich ihnen glücklich. Der Gedanke an den Kuss war wirklich etwas großkotzig gewesen. Dass sie meinen Arm so zaghaft berührte, das war schon was!
    »Ich muss sagen, sie hat Stil«, meinte Jackie beeindruckt. Bloß gut, sie hielt ihren Mund, was diese Skorpiongeschichte anging.
    »Und wie geht es dir jetzt?«, wollte Ellen liebevoll von mir wissen. Ich lehnte mich an sie, und mein Kopf fiel an ihre schmale Schulter.
    »Ach, Ellen, ich glaube, ich könnte gut ein Wochenende auf der Alm vertragen.«
    Deutlich spürte ich, wie ihr Körper vor Lachen zuckte.

S ECHSTES K APITEL
Wenn der Wein
die Wahrheit spricht, verrät er dich?!
    A m ersten Abend im Juni wusste ich nichts mit mir anzufangen. Es wäre mir gewiss besser gegangen, wenn sich unter Lenas Telefonnummer jemand gemeldet hätte, aber dort antwortete nur monotones Tuten als Zeichen dafür, dass alle ausgeflogen waren.
    Zu Hause hielt ich es nicht aus. Die Alm hatte sich vor mir verkrochen. Ich schaute in allen Ecken nach und konnte sie nirgends finden. Ganz allein in meiner schönen, gemütlichen Wohnung zu sitzen, war plötzlich nicht mehr ruhig, friedlich und besinnlich, sondern langweilig und nervenaufreibend.
    Es war für Anfang Juni unglaublich warm. Doch ich hatte noch nicht einmal Lust, Jackie anzurufen und mit ihr über die Klimaveränderung zu diskutieren. Also musste ich wohl raus- gehen. Aber ich hatte mich heute Morgen in eine kurze Hose und ein knacke enges Trägershirt geworfen und keine Lust, mich umzuziehen. Die einzige Kneipe, in der ich mit meinen langen blonden Haaren und in diesem Aufzug in Ruhe gelassen würde, war das ›Yellow‹, eine nette Schwulenkneipe zwei Straßen weiter.
    Hier hatte ich vor sieben Jahren auch Lothar kennengelernt.
    Immer mal wieder zogen wir gemeinsam dorthin. Heute würde es allerdings auch allein gehen müssen, denn zwischen Frauke und mir herrschte nach unserem heftigen Zusammenstoß Sendepause.
    Lothar hatte mich am Tag nach dem Streit angerufen und mit belegter Stimme erklärt, Frauke fühle sich nicht wohl und wolle lieber daheim arbeiten. Ich hatte diese Ausrede vorerst akzeptiert. Aber seitdem war nun eine Woche vergangen, und allmählich machte ich mir Sorgen. Frauke wollte doch hoffentlich nicht bis in die Steinzeit schmollen? Hatte ich sie mit meinen lesbenelitären Sprüchen derart furchtbar verletzt, dass sie mich nun gar nicht mehr sehen wollte? Ich sollte eine Aussprache mit ihr anstreben! Aber nicht heute! Besser nicht heute, denn heute war kein guter Tag für konstruktive Auseinandersetzung und anschließende Versöhnung. Der heutige Tag schien nur zu einem gut zu sein: sich in einer gemütlichen Schwulenkneipe langsam und unauffällig und vor allen Dingen allein unter den Tisch zu trinken.
    Im ›Yellow‹ pflanzte ich mich sofort an einen der ausladenden Tische und winkte dem Kellner in der knackigen Levis-Jeans. Mir gegenüber saßen zwei gibbelnde Mädels aus der Obersekunda des angrenzenden Mädchengymnasiums, die Banane-Kirsch-Saft tranken und den hereinkommenden Männern auf den Hintern starrten. Ich dachte darüber nach, ob die Schwulen das als sexuelle Belästigung werten würden.
    »Ein Sider, bitte!«, bestellte ich. Bier im Allgemeinen hasse ich. Aber im ›Yellow‹ gab es die wunderbare Ausnahme: das verführerisch süße irische Bier, bei dem ich immer an donnernde Brandung an felsenzerklüfteten Küsten, kreischende Möwen und an Ponyritte über endlose Weiden mit aufgeschichteten Steinmauern denken musste. Mir war heute danach. Warum ging Lena seit Tagen nicht ans Telefon?
    »Sider kommt sofort.« Der nette junge Mann mit dem Goldohrring strahlte mich an. »Aber könntest du dich bitte woanders hinsetzen? Wie du siehst, sind die Tische hier vorn reserviert.«
    Oh, das kleine Schild hatte ich vollkommen übersehen.
    »Dann geh ich nach hinten«,

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