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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Muentefering
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teilte ich dem Davoneilenden noch mit und schlenderte durch die herumstehenden Männer in den hinteren Teil der Kneipe.
    Hier waren durch kleine Mäuerchen winzige Nischen voneinander abgeteilt, die von Paaren bevorzugt wurden, die entweder verliebt über den Tisch hinweg Händchen hielten oder aber angeregt miteinander tuschelten. Aber auch hier waren fast alle Plätze besetzt. Sollte mein Vorhaben zu einem Sider-gesteuerten-Vergessen-für-einen-Abend etwa an einem mangelndem Sitzplatz scheitern?
    Nein, da ganz hinten! Zwar reckte sich dort ein Bein in den Gang, aber der Person gegenüber war die Bank noch frei.
    Ich schritt selbstbewusst dorthin. Das war meine letzte Chance, mich heute Abend besaufen zu können.
    Als ich den Kopf um die Ecke der Nische schob, sahen mich ein Paar grüner Augen erschrocken an.
    »Ups! Ich meine, guten Abend. Was machen Sie denn hier?«, fuhr es mir heraus.
    »Sie werden lachen. Aber ich begann auch gerade, mich das zu fragen«, antwortete Angela Rose.
    Ich musste ziemlich verdattert dreingeschaut haben, denn sie lachte.
    »Wollen Sie sich nicht setzen? Wie Sie sehen, hat sich noch niemand zu mir getraut.« Sie wies auf die gegenüberliegende Bank.
    »Trifft sich gut. Ich war gerade auf der Suche nach einem Sitzplatz. Danke.« Ich setzte mich und versuchte meine anhaltende Überraschung über diese unerwartete Begegnung zu verbergen. Aber ich konnte noch nie gut täuschen. Frau Rose verzog den lippenstiftgeschminkten Mund zu einem amüsierten Lächeln.
    »Sie wollen wissen, was ich hier mache?«, wiederholte sie meine Frage. »Ich betreibe etwas Feldforschung.«
    »Dieses Feld interessiert Sie?«
    Ihr Blick fiel in das Glas Wein, das vor ihr stand.
    »Immerhin ist meine Tochter … ich meine, Lena kennt sich hier doch bestimmt gut aus. Ich war einfach neugierig, wo sie so ihre Freizeit verbringt. Und da hab ich mir eine dieser Szenezeitschriften geschnappt und mal nach einem von diesen Szeneläden in der Stadt Ausschau gehalten. Wissen Sie, unser gemeinsames Essen neulich hat mir gezeigt, wie wenig ich über Lenas Leben eigentlich weiß.«
    Ich musste schmunzeln. Denn ich glaubte kaum, dass sie in einem schwulen Laden allzu viel über Lena erfahren würde. Unbedarfte Eltern neigen immer dazu, lesbische Töchter und schwule Söhne in einen Topf zu werfen. Dabei haben Lesben und Schwule eigentlich nur gemein, dass sie »anders« sind, als von ihnen erwartet wird. Ansonsten haben Männer und Frauen eben nicht sehr viel gemeinsam.
    »Dann bin ich also nicht ganz unschuldig daran, dass Sie jetzt Ihren Abend in einer Schwulenkneipe verbringen?«, grinste ich.
    Sie sah nicht von ihrem Glas auf, nahm aber annähernd die Farbe des Weines an, der vor ihr stand. Es war ein tiefdunkler Rioja.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Könnte mir vorstellen, dass ich Sie durch mein Erscheinen neugierig gemacht habe. Aber alle Antworten, die Sie gern hätten, habe ich bestimmt nicht geben können.«
    »Oh, das meinen Sie …« Sie lächelte, scheinbar erleichtert. Vielleicht, weil sie hier fremd war, ihr vieles neu und ungewöhnlich schien. Hatte sie schon mal zwei küssende Männer gesehen, wie die beiden in der Nachbarnische, die sich gegenseitig fast ununterbrochen die Zunge in den Hals schoben?
    Als ich sie anschaute, ihren grünen Blick im Wein versinken sah, war sie plötzlich eine angenehm fremde Person für mich. Hier fühlte ich mich ihr gegenüber ganz anders als in ihrer Küche. Das ›Yellow‹ war mein Revier, und sie war diejenige, die peinlich darauf achtete, nichts Unpassendes zu tun oder zu sagen. Ich fand Gefallen an diesen geänderten Verhältnissen.
    »Lena hat mich gebeten, ihr beim Renovieren zu helfen«, sagte ich.
    Frau Rose nickte wissend. Immerhin sprach ich von ihrer Tochter, sollte das wohl heißen.
    »Mal wieder typisch für sie. Kaum versucht sie, sich von mir abzunabeln, hängt sie sich an jemand anderen. Sie kommt noch nicht so recht allein klar, ohne diesen gewissen Mutterersatz … oh, entschuldigen Sie! Ich bin ein Trampeltier!«, fluchte Angela Rose, als sie mein Gesicht beim Wort ›Mutterersatz‹ sah und richtig deutete. Ich fragte mich heimlich, wie viel Wein sie bereits konsumiert haben mochte. »Neulich bin ich auch schon so ins Fettnäpfchen getreten. Und dafür wollte ich mich übrigens noch bei Ihnen entschuldigen.«
    »Wofür?«
    »Ich wusste nicht, dass Sie und Lena sich erst so kurze Zeit kennen. Ich meine … verstehen Sie, was ich meine? Ich dachte, Sie beide

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