Die schoenen Muetter anderer Toechter
hinwegzuhelfen.
Als hätte sie das erraten, fragte sie: »Und woran denkst du jetzt?«, und ich brauchte ihr nur ganz ehrlich zu antworten.
»Sagt dir der Name einer Schauspielerin etwas, die deine Mutter mal gekannt hat: Jana?«, fragte ich möglichst unverfänglich. Es interessierte mich brennend, ob Lena von der Möglicherweise-Verliebtheit ihrer jungen Mutter vor zwanzig Jahren etwas wusste.
Lena wälzte sich herum und legte ihre Stirn in nachdenkliche Falten.
»Jana? Jana? Wie weiter? Nein, kenn ich nicht. Was war denn mit der?«
»Sie ist wohl ziemlich berühmt geworden«, log ich. Leider konnte ich nicht sehr gut lügen. Lenas Blick huschte neugierig über meinen Bauch in mein Gesicht. Um sie abzulenken, sagte ich: »Weißt du, was ich gerade noch dachte? An deinen größten Wunsch, den du im Moment hast. Mir kam da gerade so eine Idee.«
»Und was?«
»Erschrick aber nicht!«
»Quatsch!«
»Was hältst du davon, wenn wir zwei zu einem Abendessen einladen, sozusagen, um deine neue Wohnung und vielleicht auch unser Kennenlernen zu feiern?« Ich wollte nicht ein Wort wie ›Beziehungsbeginn‹ sagen. Ehrlich, ich hatte keine Ahnung, ob wir von jetzt an eine Beziehung führen würden. Ich wollte Lena nicht verschrecken. Und ich wusste selbst nicht so genau, was ich von diesem Wort halten sollte: Beziehung.
Lena schaute skeptisch.
»Wir würden einige meiner Freundinnen einladen und ein paar von deinen, und natürlich deine Eltern. Würde deine Mutter da nein sagen? Sie wäre ja schließlich mit deinem Vater nicht allein, sodass sie nicht über ihre Beziehung streiten oder sich gegenseitig Vorwürfe machen könnten oder was weiß ich, was sie so tun, wenn sie miteinander allein sind.« Ich sah plötzlich Angela vor mir, wie sie mich kokett angelächelt hatte, und brach verwirrt ab.
Aber Lena bemerkte meine Gefühlsschwankung gar nicht. Sie fand meinen Vorschlag klasse, denn als Antwort bekam ich einen Kuss, der irgendwo zwischen Mund und Nase landete. Dann sprang sie aus dem Bett und lief ins andere Zimmer hinüber.
Ich lachte. »Was hast du denn vor?«
Immerhin hatte sie nicht mal den winzigsten Fetzen Stoff am Körper. Wenn die Nachbarn von gegenüber es raushatten, würden sie heute Nachmittag ordentlich etwas geboten bekommen.
Lena antwortete nicht, sondern kramte herum und kam strahlend zurück: mit ihrem Saxophon.
Der schwarze Lederriemen baumelte bereits um ihren Hals. Sie hängte das Instrument dort ein und legte es an die Lippen. Lena spielte. Es war unglaublich. Sie stand splitterfasernackt dort mitten im Raum und spielte für mich …
Drei, vier, fünf Melodien, eine schöner als die andere. Ihr Körper krümmte sich, bog sich und vibrierte im Rhythmus ihrer Finger, die über die Klappen huschten, zitterten, schlugen. Das war sinnlich, rasend temperamentvoll und stark. Es ließ meine Füße unter der Bettdecke zucken, denn sie wollten heraus und tanzen zu den hübschen Melodien, mit denen Lena es verstand, ihre eigene nackte Schönheit zu unterstreichen.
Eine einzelne Träne lief ungesehen über meine Wange und tropfte aufs Bettlaken. Es war eine Abschiedsträne. Ich verstand nur nicht, wieso ich sie weinte.
A CHTES K APITEL
Die einmal lügt, der glaubst du nicht,
und wenn sie auch die Wahrheit spricht
L ena blieb bei mir. Ich hatte befürchtet, sie würde sich anziehen und auf und davon fahren. Aber stattdessen legte sie sich ins Bett zurück, deckte sich fahrlässig zu und schlief ein. Ich regte mich nicht.
Die halbe Nacht lag ich wach.
Es war eine helle Mondnacht, und ich konnte sie ansehen, während sie träumte. Ich betrachtete sie und die Schatten, die das Mondlicht durch das Blätterdach der Bäume ins Zimmer warf. Es war eine verzauberte Nacht.
Zum ersten Mal eine Frau zu lieben, hat etwas vom Lösen eines Rätsels. Denn nie kannst du vorher wissen, was sie mag und wie sie sich selber beim Lieben verhält. Manche Frauen sind mit sich selbst auch im Alltagsleben so authentisch, dass du ihr Lachen, ihr Reden, ihr Tanzen geradezu eins zu eins umrechnen kannst mit ihrer Art, Sexualität zu leben. Andere tragen im Alltag ständig eine Maske, die sie plötzlich oder auch erst nach und nach fallen lassen in diesen intimsten Stunden des Zusammenseins.
Es kann dich überraschen. Es kann dich überzeugen. Es kann dich überwältigen. Wie auch immer. Es bringt dich nah zu ihr, bis du glaubst, dich in ihr aufzulösen … normalerweise.
Diese Nacht lehrte mich, dass es auch anders
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